Samstag, 2. Januar 2021

2. Sonntag nach Weihnachten

3. Januar 2021

Bevor ich auf den 2. Sonntag nach Weihnachten inhaltlich eingehe, muss ich noch einmal kurz etwas zur revidierten Perikopenordnung schreiben, die 2018 eingeführt wurde. Was ist denn das für ein armseliges Bild, dass es gegenüber der alten Ordnung mit 6 möglichen Predigttexten jetzt nur noch drei Bibelabschnitte gibt, die sich alle drei Jahre wiederholen? 

Schlaue Menschen haben sich wohl hingesetzt und berechnet, dass es einen 2. Sonntag nach Weihnachten nur gibt, wenn der 1. Weihnachtstag auf einen Mittwoch, einen Donnerstag oder einen Freitag fällt. Fällt der 1. Weihnachtstag dagegen auf einen der anderen Wochentage, so kollidieren die beiden Sonntage nach Weihnachten entweder mit dem Jahreswechsel oder mit dem Epiphaniastag. Aber muss man deswegen gleich die Predigtreihen reduzieren?

seit 2018 gültig
bis 2018 gültig
1. Joh 5, 11-13
1. Joh 5, 11-13
Jes 61, 1-3 (4.9) 10-11
Lk 2, 41-52
Lk 2, 41-52
Joh 1,43-51
1. Joh 5, 11-13
Jes 61, 1-3 (4.9) 10-11
Jes 61, 1-3 (4.9) 10-11
Joh 7,14-18
Lk 2, 41-52
Röm 16,25-27

Wie man auch an diesem Sonntag sehen kann, ist das Vertauschen der Predigtreihen bei den für die Revision Verantwortlichen durchaus beliebt. Ich weiß natürlich, dass so verhindert werden soll, dass ein Jahr lang über die Evangelien und ein weiteres Jahr ausschließlich über die Episteln gepredigt werden soll. Aber ist das wirklich der Weisheit letzter Schluss?

Evangelisches Gesangbuch

Im Evangelischen Gesangbuch findet man - teilweise - die Texte zum 2. Sonntag nach Weihnachten unter der Nummer 954.12. Digital findet man alles auf der Seite "Das Kirchenjahr".

Die Farben des Kirchenjahres lassen sich in dieser Grafik finden. Den liturgischen Kalender bieten die bayrischen Landeskirche und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands an.

Für alle zitierten Bibeltexte gilt: Lutherbibel 1984, © Deutsche Bibelgesellschaft

Wochenspruch:

Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. (Joh 1, 14b)

Wochenlied:

  • Weil Gott in tiefster Nacht erschienen (EG 56) oder
  • Auf, Seele, auf und säume nicht (EG 73)

Lieder für den Gottesdienst

  • EG 56,1.4.5 Weil Gott in tiefster Nacht erschienen
  • EG 740 Psalm 100
  • EG 58,1-3 Nun lasst uns gehn und treten
  • EG 58,6.7.11 
  • EG 41 Jauchzet, ihr Himmel
  • EG 56,1.2.4 (plus Refrain letzte Strophe)

Psalm 100

Jauchzet dem HERRN, alle Welt! Dienet dem HERRN mit Freuden,

kommt vor sein Angesicht mit Frohlocken! Erkennet, dass der HERR Gott ist!

Er hat uns gemacht und nicht wir selbst zu seinem Volk und zu Schafen seiner Weide.

Gehet zu seinen Toren ein mit Danken, / zu seinen Vorhöfen mit Loben;

danket ihm, lobet seinen Namen! Denn der HERR ist freundlich, /

und seine Gnade währet ewig und seine Wahrheit für und für.

Evangelium - Lk 2, 41-52
DER ZWÖLFJÄHRIGE JESUS IM TEMPEL

41 Und Jesu Eltern gingen alle Jahre nach Jerusalem zum Passafest. 42 Und als er zwölf Jahre alt war, gingen sie hinauf nach dem Brauch des Festes. 43 Und als die Tage vorüber waren und sie wieder nach Hause gingen, blieb der Knabe Jesus in Jerusalem und seine Eltern wussten’s nicht. 44 Sie meinten aber, er wäre unter den Gefährten, und kamen eine Tagereise weit und suchten ihn unter den Verwandten und Bekannten. 45 Und da sie ihn nicht fanden, gingen sie wieder nach Jerusalem und suchten ihn.

46 Und es begab sich nach drei Tagen, da fanden sie ihn im Tempel sitzen, mitten unter den Lehrern, wie er ihnen zuhörte und sie fragte. 47 Und alle, die ihm zuhörten, verwunderten sich über seinen Verstand und seine Antworten. 48 Und als sie ihn sahen, entsetzten sie sich. Und seine Mutter sprach zu ihm: Mein Sohn, warum hast du uns das getan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht. 49 Und er sprach zu ihnen: Warum habt ihr mich gesucht? Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist? 50 Und sie verstanden das Wort nicht, das er zu ihnen sagte. 51 Und er ging mit ihnen hinab und kam nach Nazareth und war ihnen untertan. Und seine Mutter behielt alle diese Worte in ihrem Herzen. 52 Und Jesus nahm zu an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott und den Menschen.

Predigt Jes 61, 1-3.10-11
DIE FROHE BOTSCHAFT VON DER KOMMENDEN HERRLICHKEIT

1 Der Geist Gottes des HERRN ist auf mir, weil der HERR mich gesalbt hat. Er hat mich gesandt, den Elenden gute Botschaft zu bringen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu verkündigen den Gefangenen die Freiheit, den Gebundenen, dass sie frei und ledig sein sollen; 2 zu verkündigen ein gnädiges Jahr des HERRN ..., zu trösten alle Trauernden, 3 zu schaffen den Trauernden zu Zion, dass ihnen Schmuck statt Asche, Freudenöl statt Trauerkleid, Lobgesang statt eines betrübten Geistes gegeben werden, dass sie genannt werden »Bäume der Gerechtigkeit«, »Pflanzung des HERRN«, ihm zum Preise.

10 Ich freue mich im HERRN, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott; denn er hat mir die Kleider des Heils angezogen und mich mit dem Mantel der Gerechtigkeit gekleidet, wie einen Bräutigam mit priesterlichem Kopfschmuck geziert und wie eine Braut, die in ihrem Geschmeide prangt. 11 Denn gleichwie Gewächs aus der Erde wächst und Same im Garten aufgeht, so lässt Gott der HERR Gerechtigkeit aufgehen und Ruhm vor allen Heidenvölkern.

Zunächst einmal richten sich diese Verse an Israel. Die Jahre des Babylonischen Exils neigten sich dem Ende zu und die Heimkehr nach Israel, ins Land der Väter, war nicht mehr ausgeschlossen. 

Jahrhunderte später liest Jesus diesen Text bei seiner “Antrittspredigt” in Nazareth und bezieht diese Worte auf sich selbst - “Der Geist Gottes des HERRN ist auf mir …” - “Heute ist dieses Wort der Schrift erfüllt vor euren Ohren.” Diejenigen allerdings, die ihn kannten - Ist das nicht Josefs Sohn? - Der Zimmermann? - Kennen wir nicht auch seine Geschwister? - die wollten und konnten dieses Wort von Jesus nicht annehmen. Nach der Version von Lukas wollten sie ihn sogar umbringen. 

Und wie hören wir diese Worte heute? Am Anfang eines Jahres, insbesondere am Anfang des Jahres 2021 hören wir, dass es Zukunft gibt. Herr Reichenbach sagte das ja auch schon mal in der Begrüßung. Es gibt berechtigte Hoffnung, dass dieses neue Jahr besser wird als das vergangene. 

Aber lassen Sie uns genauer hinschauen: 

Der Geist Gottes des HERRN ist auf mir, weil der HERR mich gesalbt hat. 

Das hat Jesus zunächst auf sich selbst bezogen, aber letztendlich müssen wir dieses Bild auch für uns gelten lassen. Ohne den Geist Gottes kommen wir nicht weit. Wir versuchen zwar, die Probleme in den Griff zu bekommen, aber wir merken, dass sich immer wieder neue auftürmen. Ganz aktuell: Obwohl es eigentlich jedem klar sein müsste, dass im Augenblick Zurückhaltung angesagt ist, denken einige nur an sich selbst. Wintervergnügen - warum eigentlich nicht! Silvesterparty - geht doch, wie man in Frankreich sieht. 2000 Leute waren zusammen. Feuerwerk - warum soll gerade ich verzichten. 

Er hat mich gesandt, den Elenden gute Botschaft zu bringen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, 

Gott will, dass es eine Zukunft für uns gibt, das ist ganz klar. Aber wenn wir den Experten Glauben schenken, dann ist das noch ein längerer Weg. Den Lockdown jetzt aus opportunistischen Gründen zu beenden, das wäre zu kurz gesprungen. Allerdings heißt die Botschaft eindeutig:

zu verkündigen den Gefangenen die Freiheit, den Gebundenen, dass sie frei und ledig sein sollen; 

Auch die jetzt geltenden Einschränkungen werden irgendwann einmal wieder aufgehoben werden. 

Dann allerdings kommt der unscheinbare Satz, der es in sich hat. 

zu verkündigen ein gnädiges Jahr des HERRN ...

Das ist nicht allein die Aussage, dass es wieder eine Zukunft geben wird. Mit dieser Zeile benennen Prophet und Sohn Gottes, wie diese Zukunft denn aussehen könnte. Und das ist eine echte Herausforderung. 

Das “gnädige Jahr des Herrn” ist ein “Sabbatjahr”. Ob Israel dieses Gebot Gottes je umgesetzt hat, ist fraglich. Aber darüber nachdenken müssen wir angesichts der gegenwärtigen Situation ganz bestimmt. Lesen und hören wir, was in 3. Mose 25 über das Sabbatjahr geschrieben steht.

1 Und der HERR sprach zu Mose auf dem Berge Sinai: 2 Rede mit den Israeliten und sprich zu ihnen: Wenn ihr in das Land kommt, das ich euch geben werde, so soll das Land dem HERRN einen Sabbat feiern. 3 Sechs Jahre sollst du dein Feld besäen und sechs Jahre deinen Weinberg beschneiden und die Früchte einsammeln, 4 aber im siebenten Jahr soll das Land dem HERRN einen feierlichen Sabbat halten; da sollst du dein Feld nicht besäen noch deinen Weinberg beschneiden. …  6 Was das Land während seines Sabbats trägt, davon sollt ihr essen, du und dein Knecht und deine Magd, dein Tagelöhner und dein Beisasse, die bei dir weilen, 7 dein Vieh und das Wild in deinem Lande; all sein Ertrag soll zur Nahrung dienen. 

Es muss auch für das Land ein Sabbatjahr geben, damit sich die Erde erholen kann, das sagen schon die Menschen im alten Israel vor mehr als 2.500 Jahren. Das lassen wir mal heute die Verantwortlichen in der Wirtschaft hören, wo doch darüber nachgedacht wird, wie die Produktionsausfälle nachgeholt werden können. Nur, liebe Gemeinde, das ist doch ganz klar - und dazu müssen wir noch nicht einmal fromm sein oder an Gott glauben: Wenn wir mehr verbrauchen, als die Erde produzieren kann, dann kann das nicht gutgehen. Das ist eine logische Aussage, die jedem Menschen, der denken kann - und das sind die meisten - diese logische Aussage MUSS jedem einleuchten!

Aber damit sind die Gedanken zum Gnadenjahr noch nicht ausgereizt.

8 Und du sollst zählen sieben Sabbatjahre, siebenmal sieben Jahre, dass die Zeit der sieben Sabbatjahre neunundvierzig Jahre mache. 9 Da sollst du die Posaune blasen lassen durch euer ganzes Land am zehnten Tage des siebenten Monats, am Versöhnungstag. 10 Und ihr sollt das fünfzigste Jahr heiligen und sollt eine Freilassung ausrufen im Lande für alle, die darin wohnen; es soll ein Erlassjahr für euch sein. Da soll ein jeder bei euch wieder zu seiner Habe und zu seiner Sippe kommen. 11 Als Erlassjahr soll das fünfzigste Jahr euch gelten. Ihr sollt nicht säen und, was von selber wächst, nicht ernten, auch, was ohne Arbeit wächst, im Weinberg nicht lesen; 12 denn das Erlassjahr soll euch heilig sein; vom Felde weg dürft ihr essen, was es trägt. 13 Das ist das Erlassjahr, da jedermann wieder zu dem Seinen kommen soll. 

Im 50. Jahr sollen jedem seine Schulden erlassen werden, damit jeder wieder auf eigenen Beinen stehen kann. Jeder soll wieder zu seinem Besitz kommen, den er zuvor vielleicht verpfänden musste, weil das Geld nicht mehr reichte. Und im 50. Jahr soll auch noch einmal das Land, die Erde Kraft schöpfen und sich erholen.

Es ist mir vollkommen klar, dass dieser Gedanke nicht eins zu eins umgesetzt werden kann. Aber bedenken Sie, dass es schon jetzt das Instrument der Privatinsolvenz gibt, damit überschuldete Familien wieder auf die Beine kommen. Und auch in der Politik wird immer wieder einmal diskutiert, ob nicht den ärmsten Ländern die Schulden erlassen werden müssen, damit diese einen Neuanfang schaffen. 

“Entwicklung braucht Entschuldung” heißt ein Bündnis, das sich für die Entschuldung von Schuldenländern einsetzt. Sein Sitz ist Köln. … Seit den 1990er Jahren engagieren sich immer mehr entwicklungspolitische Initiativen und Nichtregierungsorganisationen für einen weitgehenden Schuldenerlass für hochverschuldete Entwicklungsländer. … Das Bündnis fordert auch eine grundlegende Reform internationaler Insolvenzverfahren zwischen Schuldnerländern und ihren Gläubigern in Anlehnung an die Londoner Schuldenkonferenz von 1953, von der das Nachkriegsdeutschland ja massiv profitiert hatte. (vgl. erlassjahr.de)

Was können wir tun? Herr Reichenbach hatte es in seiner Begrüßung mit einen kleinen Satz angemerkt: “Der 12-jährige Jesus im Tempel … ruft … Bewunderung unter den Gelehrten des Volkes Israel hervor.” Greta Thunberg, die heute 18 Jahre als wird, hat zusammen mit vielen Jugendlichen uns in den vergangenen Jahren immer wieder ermahnt, dass wir dieser Generation nicht die Lebensgrundlage entziehen dürfen. Natürlich setze ich die Umweltaktivistin und die anderen Jugendlichen nicht mehr Jesus gleich. Aber jetzt, wo wir durch das Coronavirus zu einer Zeit der Ruhe gezwungen werden, sollten wir diese Zeit nutzen, um im Sinn Jesu mit Gottes Hilfe neue und nachhaltige Wege der Entwicklung zu suchen und dann auch zu beschreiten. Jetzt haben wir die Chance dazu, damit es ein “gnädiges Jahr des HERRN” wird. 

Amen. 

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