Donnerstag, 27. Oktober 2016

Reformationstag

31. Oktober 2016

Evangelisches Gesangbuch

Im Evangelischen Gesangbuch findet man die Texte zum Reformartionstag unter der Nummer 954.68. Digital findet man alles auf der Seite "Das Kirchenjahr".

Die Farben des Kirchenjahres lassen sich in dieser Grafik finden. Den liturgischen Kalender bieten die bayrischen Landeskirche und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands an.

Wochenspruch:

Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. (1. Kor 3, 11)

Wochenlied:

Nun freut euch, lieben Christen g'mein (EG 341 - auch in Rev. 2014) oder
Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich (EG 351 - nicht in Rev. 2014)
Rev. 2014: Die ganze Welt hast du uns überlassen (EG 360)

Liedvorschläge für den Gottesdienst

362,1-3 - Ein feste Burg ist unser Gott
725 - Psalm 46 Gott ist unser Schutz
351,1-4 - Ist Gott für mich, so trete
241,1.4-5 - Wach auf, du Geist der ersten Zeugen
147,1-3 - Wachet auf, ruft uns die Stimme
193,1-3 - Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort (EG )

Alle nachfolgenden Bibeltexte: Lutherbibel 1984, © Deutsche Bibelgesellschaft

Epistel: Röm 3, 21-28

Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten. 22 Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier kein Unterschied: 23 sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, 24 und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. 25 Den hat Gott für den Glauben hingestellt als Sühne in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit, indem er die Sünden vergibt, die früher 26 begangen wurden in der Zeit seiner Geduld, um nun in dieser Zeit seine Gerechtigkeit zu erweisen, dass er selbst gerecht ist und gerecht macht den, der da ist aus dem Glauben an Jesus.

27 Wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen. Durch welches Gesetz? Durch das Gesetz der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens. 28 So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.

Alttestamentliche Lesung: Jes 62, 6-7.10-12

O Jerusalem, ich habe Wächter über deine Mauern bestellt, die den ganzen Tag und die ganze Nacht nicht mehr schweigen sollen. Die ihr den HERRN erinnern sollt, ohne euch Ruhe zu gönnen, 7 lasst ihm keine Ruhe, bis er Jerusalem wieder aufrichte und es setze zum Lobpreis auf Erden!
10 Gehet ein, gehet ein durch die Tore! Bereitet dem Volk den Weg! Machet Bahn, machet Bahn, räumt die Steine hinweg! Richtet ein Zeichen auf für die Völker! 11 Siehe, der HERR lässt es hören bis an die Enden der Erde: Saget der Tochter Zion: Siehe, dein Heil kommt! Siehe, was er gewann, ist bei ihm, und was er sich erwarb, geht vor ihm her! 12 Man wird sie nennen «Heiliges Volk», «Erlöste des HERRN», und dich wird man nennen «Gesuchte» und «Nicht mehr verlassene Stadt».

Predigtidee

Ich werde an das anknüpfen, was mein Kollege Manfred Senftleben auf seiner Internetseite "Das Kirchenjahr" als Einführung zum Alttestamentlichen Text schreib: "Die Stadt Jerusalem ist ein bedeutender, wichtiger Ort. Sie ist das Zentrum des Volkes Gottes, zu dem auch wir gezählt werden. Seit dem babylonischen Exil vor 2600 Jahren, in dem der erste Tempel zerstört wurde, ist sie zu einem Symbol der Hoffnung geworden. Wenn Gott wieder Wohnung nimmt in der Mitte seines Volkes, dann wird die ganze Welt das Heil erfahren, nach dem sie sich sehnt. Damit dies geschehen kann, sollen wir uns gegenseitig mit Worten und Taten an Gott erinnern und ihn bitten, dass er bald kommen möge." (http://daskirchenjahr.de/tag.php?name=reformation&zeit=AndereFeste2&typ=text)

Was es bedeutet, dass Gott wieder Wohnung nimmt in der Mitte seines Volkes, das beschreiben die Propheten Micha und Jesaja. Ich gebe hier den Text aus dem Michabuch wieder.

Das kommende Friedensreich Gottes - Micha 4

1 In den letzten Tagen aber wird der Berg, darauf des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über die Hügel erhaben. Und die Völker werden herzulaufen, 2 und viele Heiden werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinauf zum Berge des HERRN gehen und zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir in seinen Pfaden wandeln! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. 3 Er wird unter großen Völkern richten und viele Heiden zurechtweisen in fernen Landen. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. 4 Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken. Denn der Mund des HERRN Zebaoth hat's geredet. 5 Ein jedes Volk wandelt im Namen seines Gottes, aber wir wandeln im Namen des HERRN, unseres Gottes, immer und ewiglich! (vgl. dazu auch Jesaja 2,1-5, wo mehr oder weniger die gleichen Sätze stehen; Gott hat durch seinen "kleinen" wie auch durch seinen "großen" Propheten gesprochen)

Die Texte weisen uns in zwei Richtungen:

  • zum einen sollen wir Gott quasi in den Ohren liegen, dass er sich uns wieder zuwendet 
  • zum anderen sollen wir auf Gottes Wort, auf seine Weisung hören; Was dann passiert, beschreiben diese großartigen Worte: "Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen."

Sonntag, 23. Oktober 2016

23. Sonntag nach Trinitatis

30. Oktober 2016

Evangelisches Gesangbuch

Im Evangelischen Gesangbuch findet man die Texte zum 23. Sonntag nach Trinitatis unter der Nummer 954.67. Digital findet man alles auf der Seite "Das Kirchenjahr".

Die Farben des Kirchenjahres lassen sich in dieser Grafik finden. Den liturgischen Kalender bieten die bayrischen Landeskirche und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands an.

Wochenspruch:

Dem König aller Könige und Herr aller Herren, der allein Unsterblichkeit hat, dem sei Ehre und ewige Macht! (1. Tim 6, 15b.16a.c)

Wochenlied:

In dich hab ich gehoffet, Herr (EG 275 - nicht in Rev. 2014)
Rev. 2014: Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich (EG 351)
Rev. 2014: Komm in unsre stolze Welt (EG 428)

Lieder im Gottesdienst

EG 140 Brunn alles Heils, dich ehren wir (1-5)
EG 752 Psalm 134
EG 137 Geist des Glaubens, Geist der Stärke (1.2.4.6)
EG 326 Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut (1-3)
EG 246 Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ (1-4)
EG 398 In dir ist Freude (1-2)

Alle nachfolgenden Bibeltexte: Lutherbibel 1984, © Deutsche Bibelgesellschaft

Alttestamentliche Lesung

Abrahams Fürbitte für Sodom (1. Mose 18, 20-21.22b-33)

Ursprünglich war in der bis 2014 gültigen Leseordnung für diesen Sonntag die Geschichte vorgesehen, wo Abraham für die Stadt Sodom und ihre Bewohner Fürbitte hält bei Gott, der beschlossen hatte, die Stadt wegen ihrer Sünden zu zerstören (1. Mose 18, 20-21.22b-33). "Es könnten vielleicht fünfzig Gerechte in der Stadt sein; wolltest du die umbringen und dem Ort nicht vergeben um fünfzig Gerechter willen, die darin wären?" Mit diesem Satz fängt Abraham sein Gespräch mit Gott an. Am Ende wendet er kleinlaut ein: "Ach, zürne nicht, Herr, dass ich nur noch einmal rede. Man könnte vielleicht zehn darin finden." Selbst diesmal geht Gott auf Abrahams Bitte ein und erklärt wie jedes Mal zuvor. "Ich will sie nicht verderben um der zehn willen." Dann wendet sich Gott aber von Abraham ab. Der versierte Bibelleser weiß, dass selbst die zehn Gerechten sich offensichtlich nicht fanden. Die Stadt wurde dem Erdboden gleichgemacht. 

Die Perikopenrevision von 2014 hatte den Text auf den 1. Sonntag nach Trinitatis verlegt. Weil ich ihn spannend fand, predigte ich bereits am 29. Mai d.J. darüber. Damit muss ich für diesen 23. Sonntag nach Trinitatis auch dem Vorschlag der Perikopenkommission folgen und und den Text 2. Mose 1,8-20 nehmen. Diese Zeilen beschreiben, wie sich die beiden Hebammen Schifra und Pua dem Befehl des Pharao listig widersetzen, so dass sie den Israelitinnen halfen, vom ägyptischen Staatsapparat aber offensichtlich nicht belangt werden konnte. 

Bei Mord gibt es keine Kooperation (2. Mose 1,8-20)

Da kam ein neuer König auf in Ägypten, der wusste nichts von Josef 9 und sprach zu seinem Volk: Siehe, das Volk Israel ist mehr und stärker als wir. 10 Wohlan, wir wollen sie mit List niederhalten, dass sie nicht noch mehr werden. Denn wenn ein Krieg ausbräche, könnten sie sich auch zu unsern Feinden schlagen und gegen uns kämpfen und aus dem Lande ausziehen.

11 Und man setzte Fronvögte über sie, die sie mit Zwangsarbeit bedrücken sollten. Und sie bauten dem Pharao die Städte Pitom und Ramses als Vorratsstädte. 12 Aber je mehr sie das Volk bedrückten, desto stärker mehrte es sich und breitete sich aus. Und es kam sie ein Grauen an vor Israel. 13 Da zwangen die Ägypter die Israeliten unbarmherzig zum Dienst 14 und machten ihnen ihr Leben sauer mit schwerer Arbeit in Ton und Ziegeln und mit mancherlei Frondienst auf dem Felde, mit all ihrer Arbeit, die sie ihnen auflegten ohne Erbarmen. 15 Und der König von Ägypten sprach zu den hebräischen Hebammen, von denen die eine Schifra hieß und die andere Pua: 16 Wenn ihr den hebräischen Frauen helft und bei der Geburt seht, dass es ein Sohn ist, so tötet ihn; ist's aber eine Tochter, so lasst sie leben. 17 Aber die Hebammen fürchteten Gott und taten nicht, wie der König von Ägypten ihnen gesagt hatte, sondern ließen die Kinder leben. 18 Da rief der König von Ägypten die Hebammen und sprach zu ihnen: Warum tut ihr das, dass ihr die Kinder leben lasst? 19 Die Hebammen antworteten dem Pharao: Die hebräischen Frauen sind nicht wie die ägyptischen, denn sie sind kräftige Frauen. Ehe die Hebamme zu ihnen kommt, haben sie geboren. 20 Darum tat Gott den Hebammen Gutes. Und das Volk mehrte sich und wurde sehr stark.

Evangelium Mt 22, 15-22

Auf der Seite "http://daskirchenjahr.de/" finden wir diese Erklärung bzw. Einführung zum Evangelium: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist: Mit diesem Wort will uns Jesus deutlich machen, dass wir uns nicht vor unseren Pflichten gegenüber der weltlichen Obrigkeit drücken können. Doch wurde dieses Wort dann auch als Ausrede dafür genommen, Ungerechtigkeit in Politik und Wirtschaft kritiklos hinzunehmen. Darum: über allem steht die Liebe Gottes, die uns zur Fürsorge füreinander anspornt und ermutigt, gegen das Unrecht in dieser Welt anzugehen. Hört die Erzählung aus dem Evangelium nach Matthäus im 22. Kapitel":

Die Pharisäer gingen hin und hielten Rat, wie sie Jesus in seinen Worten fangen könnten; 16 und sandten zu ihm ihre Jünger samt den Anhängern des Herodes. Die sprachen: Meister, wir wissen, dass du wahrhaftig bist und lehrst den Weg Gottes recht und fragst nach niemand; denn du achtest nicht das Ansehen der Menschen. 17 Darum sage uns, was meinst du: Ist's recht, dass man dem Kaiser Steuern zahlt, oder nicht?

18 Als nun Jesus ihre Bosheit merkte, sprach er: Ihr Heuchler, was versucht ihr mich? 19 Zeigt mir die Steuermünze! Und sie reichten ihm einen Silbergroschen. 20 Und er sprach zu ihnen: Wessen Bild und Aufschrift ist das? 21 Sie sprachen zu ihm: Des Kaisers. Da sprach er zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist! 22 Als sie das hörten, verwunderten sie sich, ließen von ihm ab und gingen davon.

Predigtidee

Ich denke, dass ich über den Alttestamentlichen Text predigen werde. Der Wochenspruch fordert uns auf: "Dem König aller Könige und Herr aller Herren, der allein Unsterblichkeit hat, dem sei Ehre und ewige Macht! (1. Tim 6,15b.16a.c) Dies setzen die beiden Hebammen Schifra und Pua um, indem sie sich weigern, die männlichen Babys der Israeliten zu töten.

Es war eigenartig, liebe Gemeinde,

eigentlich ging es den Menschen ganz gut. Die letzte große Wirtschaftskrise hatte man ganz gut verkraftet. Damals waren die Ernten wegen einer Dürreperiode ausgefallen und das Getreide war knapp geworden. Aber Dank kluger Vorratspolitik im Vorfeld hatte man diese Krise ganz gut gemeistert. Davon profitierte man auch jetzt nach Jahrzehnten, während andere Staaten die Folgen immer noch nicht ganz bewältigt hatten.

Auch politisch gesehen konnte man zufriedens sein. “Die die oben” machten zwar immer noch, was sie wollten. Man hatte auch nicht den Eindruck, als ob sie wüssten, was den kleinen Mann auf der Straße beschäftigte. Aber das war ja nichts Neues. Wichtig war, dass man sich einigermaßen sicher fühlen konnte, dass es nach außen keinen Krieg gab und dass im Inneren das Recht gewahrt wurde, dass keine Willkür herrschte, dass die Familien mit dem auskommen konnten, was sie hatten und durch die Arbeit verdienten.

Und das war der dritte Punkt, wo man eigentlich nicht klagen konnte. Die meisten hatten ihr Auskommen, viele verdienten so viel, dass man über die Runden kam. Da, wo die Not groß war, unterstützte man sich in der Großfamilie. Es war im Land zwar nicht alles so, wie man es sich wünschte, aber das war doch anderswo auf der Welt auch nicht besser.

Also, eigentlich ging es den Menschen ganz gut. Und trotzdem herrschte Unzufriedenheit, Furcht ging um, ob man diesen Standard wohl halten könne - und viele fragten sich, wie die Zukunft wohl werden würde.

Und dann waren da noch diese Fremden, die seit Jahrzehnten in ihrem Land wohnten. Obwohl sie damals als arme Schlucker gekommen waren - so erzählten es wenigstens die Alten - waren sie zu bescheidenem Reichtum gekommen. Viele hatten sich mehr oder weniger gut integriert, obwohl sie ihre eigenen Religion hatten und ihre eigenen Gottesdienste besuchten. Die Fremden arbeiteten hart, hatten aber ihr Auskommen für die Familien. Und die waren nicht gerade klein.

Auch das war es, was den Menschen auch Furcht bereitete. Die Fremden schienen immer mehr zu werden. Auch wenn es mit der Wirklichkeit nichts zu tun hatte, es ging die Rede um: “Die Fremden gebären uns noch an die Wand. Deren Frauen kriegen Kinder ohne Ende, während bei uns viele sagen: Ein Kind oder maximal zwei, das ist doch genug. Irgendwann übernehmen die Fremden die Herrschaft.”

Wie ging es eigentlich den Fremden dabei? Seit einiger Zeit fühlten sie sich nicht mehr wohl in ihrem Gastland. Man machte sich Sorgen, wie sich das Verhältnis zur einheimischen Bevölkerung entwickeln würde. Früher war das recht unproblematisch und entspannt gewesen, so erzählten es wenigstens die Alten. Alle waren ganz ordentlich miteinander ausgekommen. Die Einheimischen honorierten, dass man sich fleißig in der heimischen Produktion einsetzte - vornehmlich beim Bau und in der Landwirtschaft. Und das wussten die Zugezogenen auch noch: Es war einer der Ihren gewesen, der maßgeblich daran beteiligt war, dass die letzte Wirtschafts- und Ernährungskrise einigermaßen überwunden werden konnte. Durch kluge Beratung hatte er die Politiker dazu bringen können, in wirtschaftlich fetten Jahren Rücklagen zu bilden, auf die man in mageren Jahren zurückgreifen konnte. Davon hatten letztendlich alle profitiert, ja man hatte noch gute Geschäfte machen können, weil die Krise die Länder ringsum nicht verschont hatte und man von den Vorräten einen Teil auch exportieren konnte.

Doch seit einiger Zeit war die Stimmung gekippt, Es herrschte Misstrauen. Die Einheimischen hatten Angst um ihre Identität, man sprach von Überfremdung, obwohl das mit der Wirklichkeit nichts zu tun hatte. Doch man merkte, dass die Einheimischen die Situation verändern wollten, sie waren mit sich selbst nicht zufrieden. Sie missgönnten den Fremden, dass die in bescheidenem Wohlstand lebten, dass die mit ihren Familien und mit der Religion zufrieden waren. Die Zugewanderten spürten diese Ausgrenzung. Und manchmal hörten sie auch Sätze wie diese: “Geht doch dahin, wo ihr hergekommen seid.” So etwas machte Angst, und manche der eigenen jungen Männer reagierten mit Aggression. Es war schon zu handfesten Auseinandersetzungen zwischen den Zuwanderern und den Einheimischen gekommen.

Insgesamt verschärfte sich die Situation immer mehr. Mit der Zeit wurden die Arbeitsbedingungen für die Zuwanderer Zug um Zug verschärft. Das trug natürlich nichts zur Entspannung der Situation bei. Und als dann erzählt wurde, die einheimischen Politiker forderten eine Kontrolle in der Familienentwicklung der Zuwanderer - es hieß, die männlichen Babys sollten nach der Geburt getötet werden - da ging die nackte Angst um.

Soweit, liebe Gemeinde, zunächst einmal die Erzählung zum Hintergrund unseres Predigttextes aus dem Alten Testament. Ich habe die ganze Zeit davon erzählt, wie es den Israeliten in Ägypten ergangen sein könnte, als der Pharao und mit ihm auch die ägyptische Bevölkerung nicht mehr wussten, was sie den Fremdarbeitern zu verdanken hatten. Wenn bei Ihnen dabei die eine oder andere Assoziation an unsere eigenen Gegenwart aufkam, so war das durchaus beabsichtigt.

Auch wenn ich es nicht recherchiert habe, ob das, was ich Ihnen eben geschildert habe, historisch zutreffend ist, so kann ich mir vorstellen, dass die Situation absolut belastet und furchteinflößend war, insbesondere wenn die Rede davon war, dass das Wachstum der israelitischen Familien durch die Tötung der männlichen Babys unmittelbar nach der Geburt gestoppt werden sollte. Hier waren die ägyptischen Machthaber auf die Kooperation der hebräischen Hebammen angewiesen. Diese verweigerten die Zusammenarbeit, nicht allein aus berufsethischen Überzeugungen, sondern, so steht es im Predigttext, weil sie Gott fürchteten.

Nun ist schon wieder von Furcht die Rede, die bekanntlich ein schlechter Ratgeber ist. Doch im biblischen Umfeld verfolgt die Rede von der “Furcht Gottes” eine andere Intention. Erinnern sich die älteren unter uns, wo sie diese Zeile auswendig lernen mussten? “Was ist das? Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen.” - Das ist Martin Luthers Erklärung zum 1. Gebot: “Ich bin der Herr dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.” Nichts anderes macht unserer Predigttext heute deutlich als die Umsetzung dieses Gebotes. Für die Hebammen steht ihr Glaube an Gott und das Vertrauen zu ihm über allem, so dass sie sich der Anordnung des Pharao widersetzen. Der Politiker fordert den Tod, der Glaube an Gott aber gibt Leben.

Dieser Satz “Aber die Hebammen fürchteten Gott …” hat nun nichts mit Furcht zu tun, wie wir sie landläufig verstehen, nämlich als Angst vor etwas, als Angst, die uns jegliche Perspektive raubt, als Angst, die blind macht für die positiven Seiten des Lebens, die allein die Probleme in den Vordergrund stellt, die uns schier zu erdrücken scheinen.

Wenn die Bibel von der “Furcht Gottes” spricht, geht es nicht um Unterdrückung, geht es nicht darum, dass der Mensch klein gemacht wird. Es geht darum, dass wir wieder Ehrfurcht vor Gott haben, dass wir Gott “ehrfürchten”, wie es Pastor Grundmann uns Jugendlichen im Konfirmandenunterricht vor über 40 Jahren versuchte zu erklären.

In der Bibel geht die Geschichte des Volkes Israel in Ägypten weiter. Die Situation verbesserte sich nicht, wie es in einem Märchen vielleicht der Fall gewesen wäre. Im Gegenteil, es wurde schlimmer. Es kam auch zu handgreiflichen Auseinandersetzungen mit Todesfolgen. Als der Hebräer Mose einen ägyptischen Aufseher im Streit getötet hat, muss er fliehen, obwohl er im Palast des Pharao aufgewachsen war. Dieser Mose ist es dann, der von Gott den Auftrag erhält, das Volk Israel aus der Sklaverei Ägyptens zu befreien. “Ich habe das Schreien meines Volkes gehört”, erklärt Gott Mose am Berg Sinai. Weil Gott sein Volk nicht vergisst, soll Mose es in die Freiheit führen. Nach vielen Schwierigkeiten gelingt schließlich die Flucht. Und die erste entscheidende Station auf dem Weg in die Freiheit ist dann wiederum der Berg Sinai. Hier erneuert Gott mit seinem Volk Israel seinen Bund und er gibt den Menschen seine Regeln für das Leben in Freiheit, die 10 Gebote. Bis heute ermöglichen diese einfachen Sätze das Zusammenleben der Menschen untereinander, so dass die Freiheit des einen nicht zu Lasten des anderen geht. Der Theologen Ernst Lange hat von den 10 Geboten Gottes als den 10 großen Freiheiten Gottes gesprochen (vgl. http://www.dorfkirche-marzahn.de/Glaubenheute/10gebote.htm).

DAS ERSTE GEBOT
Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst nicht andere Götter haben neben mir.

  • Was ist das?
  • Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen.


DAS ZWEITE GEBOT
Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht unnütz gebrauchen; denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.

  • Was ist das?
  • Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir bei seinem Namen nicht fluchen, schwören, zaubern, lügen oder trügen, sondern ihn in allen Nöten anrufen, beten, loben und danken.


DAS DRITTE GEBOT
Du sollst den Feiertag heiligen.

  • Was ist das?
  • Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir die Predigt und sein Wort nicht verachten, sondern es heilig halten, gerne hören und lernen.


DAS VIERTE GEBOT
Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf daß dir's wohlgehe und du lange lebest auf Erden.

  • Was ist das?
  • Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir unsere Eltern und Herren nicht verachten noch erzürnen, sondern sie in Ehren halten, ihnen dienen, gehorchen, sie lieb und wert haben.


DAS FÜNFTE GEBOT
Du sollst nicht töten.

  • Was ist das?
  • Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir unserm Nächsten an seinem Leibe keinen Schaden noch Leid tun, sondern ihm helfen und beistehen in allen Nöten.


DAS SECHSTE GEBOT
Du sollst nicht ehebrechen.

  • Was ist das?
  • Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir keusch und zuchtvoll leben in Worten und Werken und in der Ehe einander lieben und ehren.


DAS SIEBENTE GEBOT
Du sollst nicht stehlen.

  • Was ist das?
  • Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir unsers Nächsten Geld oder Gut nicht nehmen noch mit falscher Ware oder Handel an uns bringen, sondern ihm sein Gut und Nahrung helfen bessern und behüten.


DAS ACHTE GEBOT
Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.

  • Was ist das?
  • Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir unsern Nächsten nicht belügen, verraten, verleumden oder seinen Ruf verderben, sondern sollen ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum besten kehren.


DAS NEUNTE GEBOT
Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.

  • Was ist das?
  • Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir unserm Nächsten nicht mit List nach seinem Erbe oder Hause trachten und mit einem Schein des Rechts an uns bringen, sondern ihm dasselbe zu behalten förderlich und dienlich sein.


DAS ZEHNTE GEBOT
Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was sein ist.

  • Was ist das?
  • Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir unserm Nächsten nicht seine Frau, Gehilfen oder Vieh ausspannen, abwerben oder abspenstig machen, sondern dieselben anhalten, daß sie bleiben und tun, was sie schuldig sind.


Wie heißt es in unserem Predigttext: “Die Hebammen fürchteten Gott und taten nicht, wie der König von Ägypten ihnen gesagt hatte, sondern ließen die Kinder leben. ... Darum tat Gott den Hebammen Gutes. Und das Volk mehrte sich und wurde sehr stark.”

Das ist die Verheißung für die Menschen, die auf Gott vertrauen und nach seinem Wort, nach seinen Geboten leben! Amen.