Samstag, 18. März 2017

Moment mal ...

Meine hier abgedruckte Vorlage wurde mit kleinen Veränderungen am 18. März 2017 in der Meppener Tagespost veröffentlicht.

Sola fide, sola gratia, sola scriptura, solus Christus


Was später die Theologen in der griffigen Formel der vier “Soli” zusammenfassten - allein aus Glauben, allein aus Gnade, allein die Heilige Schrift, allein Jesus Christus - das wurde 1517 in die Öffentlichkeit getragen, als Martin Luther mit seinen 95 Thesen gegen den Ablasshandel das Fundament seiner Kirche erschütterte. Keine vermittelnde Kircheninstanz war mehr vonnöten, damit die Gläubigen zu Gott fanden. In Freiheit konnte sich jeder Christ direkt an seinen Gott wenden.

Aber offensichtlich wurde diese Freiheit schon damals sehr schnell als die Freiheit von etwas begriffen: frei vom Ablass, frei von Priester und Kirche, frei von der Beichte, frei von guten Werken - letztendlich frei von jedem Einsatz. Man musste ja nur “glauben”.

1520 formulierte Martin Luther deshalb in seiner großen Freiheitsschrift:
- Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. 
- Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.

Erst in dieser Kombination - persönliche Freiheit und Dienst am Nächsten - konkretisierte sich, was Luther angestoßen hatte. Auf der einen Seite ist der Christ frei, von niemandem in seinen Gewissensentscheidungen abhängig, auf der anderen Seite nutzt er die gewonnene Freiheit zum verantwortungsvollen Handeln in und an der Welt und am Nächsten.

Wenn es den christlichen Kirchen in der Gegenwart nicht gelingt, diese Botschaft von der doppelten Freiheit wieder zum Klingen zu bringen, wenn “zukunftsweisende” Entscheidungen allein von der Finanzlage oder von formal juristischen Überlegungen abhängig gemacht werden - in der Wirtschaft wie auch innerhalb der Kirchen -, wenn nicht mehr gefragt wird, wo die eigene Freiheit die Freiheit des anderen beschneidet oder sein Leben gar gefährdet, dann verfehlen die Kirchen ihren Auftrag, dann verspielt insbesondere die evangelische Kirche den Schatz, der in der Reformation wieder neu entdeckt wurde: dass Gott uns bedingungslos erfülltes Leben schenkt und wir uns deshalb einsetzen für eine menschliche Welt.

Soli Deo gloria - Gott allein die Ehre!