Mittwoch, 18. Januar 2017

Kirchenkreiskonferenz

18. Januar 2017


Einmal im Monat treffen sich Pastor/innen, Diakon/innen und andere Mitarbeitende aus dem Kirchenkreis zur so genannten "Kirchenkreiskonferenz". Diese beginnt immer mit einer Andacht. Ich habe heute über die Jahreslosung aus dem Buch Hesekiel 36,26 gepredigt:

Ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben. 


Auch dieses scheinbar so eingängige und ansprechende Prophetenwort steht in einer langen Reihe von Worten, die einerseits das auserwählte Volk an seinen Gott und an seine Wurzeln verwiesen, die andererseits diesem auserwählten Volk Gottes Gericht ansagten. Nach den militärischen Katastrophen von 722 vor Christus im Nordreich, 597 und 586 vor Christus in Jerusalem müsste man meinen, dass die Menschen bereit wären für einen Neuanfang, dass Gottes- und Prophetenwort auf fruchtbaren Boden fallen.
Du Menschenkind, ich sende dich zu den abtrünnigen Israeliten und zu den Völkern, die von mir abtrünnig geworden sind. Sie und ihre Väter haben sich bis auf diesen heutigen Tag gegen mich aufgelehnt. 4 Und die Kinder, zu denen ich dich sende, haben harte Köpfe und verstockte Herzen. Zu denen sollst du sagen: »So spricht Gott der HERR!« 5 Sie gehorchen oder lassen es – denn sie sind ein Haus des Widerspruchs –, dennoch sollen sie wissen, dass ein Prophet unter ihnen gewesen ist … (Hesekiel 2)
In diesem gerichtsbezogenen Kontext steht dann auch die Jahreslosung.
16 Des HERRN Wort geschah zu mir:
17 Du Menschenkind, als das Haus Israel in seinem Lande wohnte und es unrein machte mit seinem Wandel und Tun, … 18 da schüttete ich meinen Grimm über sie aus um des Blutes willen, das sie im Lande vergossen, und weil sie es unrein gemacht hatten durch ihre Götzen. 19 Und ich zerstreute sie unter die Völker und versprengte sie in die Länder und richtete sie nach ihrem Wandel und Tun.
20 So kamen sie zu den Völkern; aber wohin sie kamen, entheiligten sie meinen heiligen Namen, weil man von ihnen sagte: »Sie sind des HERRN Volk und mussten doch aus ihrem Lande fortziehen!« (Hes 36)
Einen Moment halte ich hier inne. Bei Hesekiel heißt es "Sie sind des Herren Volk ..." Mir ist dazu der Satz eingefallen: "Sie sind Christen, aber wo merken wir dies?" Was macht die christlich geprägte westliche Welt aus?
  • In Amerika will der zukünftige Präsident Zäune und Mauern errichten. America first! Dabei scheut sich Trump nicht, Gott ins Spiel zu bringen. Er, Trump, sei der "größte Arbeitsplatzbeschaffer, den Gott je erschaffen hat".
  • Europa, das christlich-jüdisch geprägte Abendland, denkt in erster Linie darüber nach, wie es die Außengrenzen sichern kann. Der Innenminister erklärt: 2017 steht nicht die Integration im Vordergrund, jetzt geht es darum, dass Menschen vermehrt in ihre Herkunftsländern zurückgeführt werden.
  • Im letzten Pfarrerblatt veröffentlichte Andreas Dreyer seinen Artikel mit der Überschrift: “Wie sich die Hannoversche Landeskirche von ihren Gemeinden distanzierte”. In der Rezension zum Buch von  Eberhard Mechels und Gisela Kittel „Kirche der Reformation?” heißt es im Pfarrerblatt: „Im gegenwärtig betriebenen „Reformprozess” wird eine andere Kirche Zug um Zug und leider auch unter Druck und Zwang durchgesetzt: Eine zentralistisch organisierte Behördenkirche, in der die Gemeinden und ihre Vorstände entmündigt, haupt- und ehrenamtlich arbeitende Gemeindeglieder verdrängt, Pfarrpersonen zu Dienstleistenden degradiert werden und die Arbeit mit den Menschen an der Basis durch rigorose Sparmaßnahmen spürbaren Schaden leidet. Umkehr ist angesagt.”
  • Jeder mag für sich selbst die Situation in unserem Kirchenkreis bedenken, wo wir auf einmal angefangen haben, den anderen zu beobachten, zu vergleichen. Die Frage lautet nicht (mehr): Was brauchen wir im Kirchenkreis, wie können wir gemeinsam einen Weg suchen und finden; sondern: Was hat der andere und was habe ich nicht? Jede Kirchengemeinde muss für sich selbst alles entscheiden.
Wir starren auf düstere Prognosen, die sich dann auch erfüllen werden. Dabei spielt nicht allein die Realität eine Rolle, sondern auch das Muster der Self Fulfilling Prophecy oder um ein Bild aus der Unfallforschung zu nehmen: Da steht auf einer schnurgeraden Straße ein Baum. Auf der einen Seite ist der gefährlich, weil man dagegen fahren kann, auf der anderen Seite stellt der Baum aber auch kein Problem dar, weil man ja drum herum fahren kann. Und was passiert: Immer wieder landen Menschen genau vor diesem Baum, weil sie einzig und allein dieses Hindernis vor Augen haben.

Zurück zum Prophetenwort des Hesekiel, zurück zu Gottes Wort:
21 Da tat es mir leid um meinen heiligen Namen, sagt Gott, den das Haus Israel entheiligte unter den Völkern, wohin sie auch kamen.

22 Darum sollst du zum Hause Israel sagen: So spricht Gott der HERR: Ich tue es nicht um euretwillen, ihr vom Hause Israel, sondern um meines heiligen Namens willen, den ihr entheiligt habt unter den Völkern, wohin ihr auch gekommen seid. 23 Denn ich will meinen großen Namen, der vor den Völkern entheiligt ist, den ihr unter ihnen entheiligt habt, wieder heilig machen. Und die Völker sollen erfahren, dass ich der HERR bin, spricht Gott der HERR, wenn ich vor ihren Augen an euch zeige, dass ich heilig bin.

26 Und ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben. (Hes 36)
Wenn ich diesen Zuspruch im Jahr 2017 lese, 500 Jahre, nachdem die 95 Thesen Luthers ihre Wirkung entfalten konnte, dann bin ich genau bei dem, was in meinen Augen Luthers Entdeckung ausmachte: Gerechtfertigt, zurechtgebracht, auf die richtige Spur gesetzt wird der Christ allein aus Glauben, alles liegt an Gottes Wirken, nichts an des Menschen Vorarbeit: sola fide - sola gratia - solus christus - sola scriptura.

Diese Gedanken in der gegenwärtigen Zeit wieder fruchtbar machen, in einer Zeit, die geprägt ist durch Produktivitätssteigerung und Fortschritt auf der einen Seite, durch Einsparungen und Freisetzung von menschlichen Arbeitskapazitäten auf der anderen Seite, hier wieder die Gedanken der Reformation fruchtbar werden zu lassen, hier wieder auf Gottes Wort zu hören - das ist eine Aufgabe und eine Herausforderung unsere Kirche, nicht durch Aktionismus und Hektik, sondern durch Stillewerden, durch Ruhe, durch Gebet, durch die ganz einfache Frage: Was ist in Gottes Augen richtig? Denn so spricht der Herr:
“Ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. Ich will meinen Geist in euch geben und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln und meine Rechte halten und danach tun.” (Hes 36)

Martin Luthers Erklärung zur Lutherrose:
WA, Luthers Briefwechsel, 5. Band, S. 444f, (Nr. 1628); zitiert nach https://de.wikipedia.org/wiki/Lutherrose
Bildnachweis für die Lutherrose:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ALutherrose.svg 
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/ab/Lutherrose.svg
I, Daniel Csörföly (from Budapest, Hungary) [GFDL or CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons 

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