Freitag, 2. April 2021

Karfreitag

2. April 2021

Evangelisches Gesangbuch

Im Evangelischen Gesangbuch findet man die Texte zum Karfreitag unter der Nummer 954.30. Digital findet man alles auf der Seite "Das Kirchenjahr".

Die Farben des Kirchenjahres lassen sich in dieser Grafik finden. Den liturgischen Kalender bieten die bayrischen Landeskirche und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands an.

Für alle zitierten Bibeltexte gilt: Lutherbibel 1984, © Deutsche Bibelgesellschaft

Wochenspruch:

Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. (Joh 3, 16)

Wochenlied:

  • O Haupt voll Blut und Wunden (EG 85)
  • In einer fernen Zeit (Singt Jubilate 17)

Lieder im Gottesdienst

  • fT 105 Manches Holz
  • Psalm 22 (Herr, sei nicht ferne)
  • fT 27 Ich steh vor dir mit leeren Händen
  • fT 38 Aus der Tiefe rufe ich zu dir
  • EG 93 Nun gehören unsre Herzen

Evangelium: Joh 19, 16-30

Pilatus überantwortete Jesus, dass er gekreuzigt würde. 17 und er trug sein Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, auf hebräisch Golgatha. 18 Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber in der Mitte. 19 Pilatus aber schrieb eine Aufschrift und setzte sie auf das Kreuz; und es war geschrieben: Jesus von Nazareth, der König der Juden. 20 Diese Aufschrift lasen viele Juden, denn die Stätte, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nahe bei der Stadt. Und es war geschrieben in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache. 21 Da sprachen die Hohenpriester der Juden zu Pilatus: Schreib nicht: Der König der Juden, sondern, dass er gesagt hat: Ich bin der König der Juden. 22 Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.

23 Als aber die Soldaten Jesus gekreuzigt hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile, für jeden Soldaten einen Teil, dazu auch das Gewand. Das war aber ungenäht, von oben an gewebt in einem Stück. 24 Da sprachen sie untereinander: Laßt uns das nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll. So sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt (Psalm 22,19): "Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über mein Gewand das Los geworfen." Das taten die Soldaten.

25 Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. 26 Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! 27 Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.

28 Danach, als Jesus wußte, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet. 29 Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und steckten ihn auf ein Ysoprohr und hielten es ihm an den Mund. 30 Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! und neigte das Haupt und verschied.

Predigt

750–725 v. Chr - die beiden Bruderstaaten Israel und Juda, das Nordreich und das Südreich, beide bekennen sich formal zum Gott ihrer Väter, zum Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, aber beide Bruderstaaten haben den Weg Gottes verlassen, sie sind anderen Göttern und Führern hinterhergelaufen - und führen gegeneinander Krieg! Gottes Völker bekriegen sich gegenseitig! 

In dieser Situation lässt Gott durch seinen Propheten Hosea beiden Völker sagen:

15 Ich will wieder an meinen Ort gehen, bis sie ihre Schuld erkennen und mein Angesicht suchen; wenn’s ihnen übel ergeht, so werden sie mich suchen:

1 »Kommt, wir wollen wieder zum HERRN; denn er hat uns zerrissen, er wird uns auch heilen, er hat uns geschlagen, er wird uns auch verbinden. 2 Er macht uns lebendig nach zwei Tagen, er wird uns am dritten Tage aufrichten, dass wir vor ihm leben werden. 3 Lasst uns darauf achthaben und danach trachten, den HERRN zu erkennen; denn er wird hervorbrechen wie die schöne Morgenröte und wird zu uns kommen wie ein Regen, wie ein Spätregen, der das Land feuchtet.«

4 Was soll ich dir tun, Ephraim? Was soll ich dir tun, Juda? Denn eure Liebe ist wie eine Wolke am Morgen und wie der Tau, der frühmorgens vergeht. 5 Darum schlage ich drein durch die Propheten und töte sie durch die Worte meines Mundes, dass mein Recht wie das Licht hervorkomme. 6 Denn ich habe Lust an der Liebe und nicht am Opfer, an der Erkenntnis Gottes und nicht am Brandopfer. 

Auch wenn ich eingangs auf den historischen Kontext dieser Verse hingewiesen habe, liebe Gemeinde, so steht mir zugegebenermaßen sofort unsere Gegenwart vor Augen. Gott erklärt: “Ich will wieder an meinen Ort gehen, bis sie ihre Schuld erkennen und mein Angesicht suchen; wenn’s ihnen übel ergeht, so werden sie mich suchen …”

Übel geht es uns wahrlich. Aber suchen wir Gott? Fragen wir, welche Orientierung wir aus unserem Glauben gewinnen können? Suchen wir mit Gottes Wort - nicht mit frommen Sprüchen - suchen wir mit seinem Wort Perspektiven, die in die Zukunft weisen?

Gewiss, manch einer fragt nach Gott. Auch die Öffnung bzw. Nicht-Öffnung der Gottesdienste wurde breit diskutiert. Und ich höre durchaus Zustimmung, dass wir unsere Gottesdienste in Präsenz feiern. Aber ist das schon die Hinwendung zu Gott, die der Prophet fordert? 

Den Satz von Dietrich Bonhoeffer, den Herr Reichenbach in seiner Begrüßung zitierte, diesen Satz kann man mit einer einzigen Veränderung direkt auf unsere Zeit beziehen: “Es ist ja deutlich genug, dass Gottes Liebe zur Welt nicht darin besteht, dass er Corona ein Ende macht, dass er Armut, Not, Verfolgungen, Katastrophen aller Art von uns nimmt; gerade darin aber sind wir gewohnt Gottes Liebe zu suchen, und wir finden sie nicht.”

Wie oft höre ich diesen Satz: Wenn Gott doch endlich … Und dann wird aufgezählt, was schon Dietrich Bonhoeffer nannte: Armut, Not, Verfolgung, Hunger, Krieg - und jetzt eben auch Corona. Das alles möge Gott doch beseitigen. Er sei doch allmächtig. Das würden wir doch schließlich auch bekennen. 

Das Kreuz von Golgatha macht deutlich, dass Gott andere Wege geht. Gott schlägt nicht mit der Faust dazwischen, er räumt nicht auf, wie viele sich das wünschen. Wenn Gott seinen Sohn den bitteren Kelch des Todes trinken lässt, dann zeigt er uns Menschen, wohin der Weg führt, wenn wir nur auf uns selbst schauen. 

Was war damals passiert: Ein Wanderprediger war aufgetreten, von dem viel Gutes erzählt wurde. Er hatte Menschen zu Gott gerufen. Gut, dabei waren einige, mit denen die Frommen nicht zu tun haben wollten: Zöllner, Huren, Krüppel, Fischer und Handwerker, die sonst eigentlich nichts zu melden hatten. Aber manchen Menschen hatte dieser Wanderprediger auch von Krankheit heilen können, selbst Tote soll er zum Leben auferweckt haben. Und wenn er sprach, so erlebten es viele, dann war es so, als ob Gott selbst da war, als ob der Himmel die Erde berührte. 

Deshalb hatten die Menschen diesen Wanderprediger auch als ihren König begrüßt, als der auf dem Esel nach Jerusalem kam. “Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin.” So hatte es der Prophet Sacharja verheißen. 

Diese Begeisterung stieß nicht bei allen auf Gegenliebe. Die einen witterten Verrat an den alten religiösen Werten, die sich doch über Jahrhunderte bewährt hatten. Die anderen befürchteten einen Aufstand, zumal die Stimmung beim Passafest sehr gereizt war. 

So schlug die militärische bzw. staatliche Gewalt der Römer erbarmungslos zu, und jüdische Fundamentalisten gaben ihren Segen dazu. Es wurde nicht mehr nach Gottes Willen gefragt, die Verhältnismäßigkeit der Mittel war völlig aus dem Blick geraten. Ein Mensch, der bisher anderen nur Gutes getan und den Verzicht auf Gewalt gepredigt und gelebt hatte, dieser Mensch wurde erbarmungslos zu Tode gebracht. Und dabei konnten sich sowohl Römer als auch Juden aufs Gesetz berufen. Alles hatte doch seine Ordnung! Wo kämen wir denn hin, wenn Recht und Gesetz nicht mehr gelten.

Nehmen Sie mir den Vergleich jetzt nicht übel, liebe Gemeinde, aber das kennen wir doch auch: Es wird verordnet, in Gesetzesform gegossen. Die Untertanen haben sich zu fügen, bei Verstößen drohen horrende Strafsummen. Es dient schließlich alles einem höheren Zweck. 

15 Ich will wieder an meinen Ort gehen, bis sie ihre Schuld erkennen und mein Angesicht suchen; wenn’s ihnen übel ergeht, so werden sie mich suchen:

Suchen wir Gott? Was hatten die Israeliten damals gesagt?

»Kommt, wir wollen wieder zum HERRN; denn er hat uns zerrissen, er wird uns auch heilen, er hat uns geschlagen, er wird uns auch verbinden. 2 Er macht uns lebendig nach zwei Tagen, er wird uns am dritten Tage aufrichten, dass wir vor ihm leben werden. 3 Lasst uns darauf achthaben und danach trachten, den HERRN zu erkennen; denn er wird hervorbrechen wie die schöne Morgenröte und wird zu uns kommen wie ein Regen, wie ein Spätregen, der das Land feuchtet.«

Das waren doch schöne, gesetzte Worte. Unabhängig vom Kontext wäre ich begeistert gewesen über diese Einstellung. Hier sind Menschen auf dem Weg zu unserem Gott. Dessen Antwort muss uns dann allerdings aufhorchen lassen. 

“Was soll ich dir tun, Ephraim? Was soll ich dir tun, Juda? Denn eure Liebe ist wie eine Wolke am Morgen und wie der Tau, der frühmorgens vergeht.”

Hier bewahrheitet sich, was wir im 1 Samuel 16,7 lesen können: Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der HERR aber sieht das Herz an. Der äußere Schein trügt oft.

5 Darum schlage ich drein durch die Propheten und töte … durch die Worte meines Mundes, dass mein Recht wie das Licht hervorkomme.

Liebe Gemeinde, dieses Drohwort Gottes würde ich ohne Abstriche auf unsere Gegenwart übertragen. Was soll ich euch tun, ihr Völker Europas, ihr Völker der Welt. Eure Suche, euer Fragen, das alles ist nichts von Bestand - weder in der Politik, auf die wir im Augenblick gerne schimpfen, noch im persönlichen Verhalten, wo etliche über die Stränge schlagen. Aber auch die Situation an vielen Arbeitsplätzen und in Kitas und Schulen ist nicht zukunftsweisend. 

Natürlich habe auch ich aktuell keine praktischen Lösungen für die sich auftürmenden Probleme. Nur so viel sage ich mit Überzeugung. Wo Menschen allein auf sich selbst schauen, wo das Gesetz mit Gewalt durchgesetzt wird - womöglich mit religiösem Segen - , wo nicht mehr die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt werden, da wartet am Ende der Tod, der physische wie auch der gesellschaftliche und zwischenmenschliche.Es gibt keine Orientierung mehr was gut und richtig ist oder falsch und kontraproduktiv. 

Heute begehen wir den Karfreitag, heute haben wir den Tod vor Augen, heute sehen wir, wozu Menschen fähig sind, wenn vermeintliches Recht gewaltsam durchgesetzt wird. Nach zwei Tagen werden wir an dieser Stelle das Leben feiern. Gott weckt seinem Sohn von den Toten auf. Nicht der Tod behält das letzte Wort.

Wenn wir das glauben, dann können wir auch hören, was Gott durch den Mund seines Propheten am Ende sagte: “... ich habe Lust an der Liebe und nicht am Opfer, an der Erkenntnis Gottes und nicht am Brandopfer.” Liebe und Erkenntnis Gottes, das sind zwei Dinge, auf die es ankommen wird, nicht die penible Einhaltung menschengemachter Vorschriften, weder in der Religion noch in einem Staatswesen. 

Durch Liebe und Erkenntnis Gottes haben wir zwar noch keine Lösungen für unsere aktuellen Probleme, aber wir haben eine Richtschnur, an der Entscheidungen ausgerichtet werden können, oder ein Fundament, das uns trägt. Von diesem Fundament aus können wir die anstehenden Probleme einer Lösung zuführen. Das wird Gott uns nicht abnehmen, wie es Dietrich Bonhoeffer so treffend ausdrückte. Den Weg zu einer Lösung müssen wir selbst finden. Dafür allerdings hat Gott uns unseren Verstand und unser Herz gegeben. 

Jesus hat übrigens einmal erklärt, wie er sich die Erfüllung aller Gebote vorstellt: Gott lieben von ganzem Herzen und deinen Nächsten wie dich selbst. 

Amen. 



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