Freitag, 8. April 2022

Karfreitag

15. April 2022

Evangelisches Gesangbuch

Im Evangelischen Gesangbuch findet man die Texte zum Karfreitag unter der Nummer 954.30. Digital findet man alles auf der Seite "Das Kirchenjahr".

Die Farben des Kirchenjahres lassen sich in dieser Grafik finden. Den liturgischen Kalender bieten die bayrischen Landeskirche und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands an.

Für alle zitierten Bibeltexte gilt: Lutherbibel 1984, © Deutsche Bibelgesellschaft

Wochenspruch:

Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. (Joh 3, 16)

Wochenlied:

  • O Haupt voll Blut und Wunden (EG 85)
  • In einer fernen Zeit (Singt Jubilate 17)

Lieder im Gottesdienst

  • EG 421 Verleih uns Frieden gnädiglich
  • EG 709 Psalm 22 (Herr, sei nicht ferne)
  • EG 382,1-3 - Ich steh vor dir mit leeren Händen
  • EG 98,1-3 - Korn das in die Erde
  • EG 97,1-3.5 - Holz auf Jesu Schulter
Dornenkrone auf der geschlossenen und zugedeckten Bibel

Lk 23, 32-49 - JESU KREUZIGUNG UND TOD

32Es wurden aber auch andere hingeführt, zwei Übeltäter, dass sie mit ihm hingerichtet würden. 33Und als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken. 34Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun! Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los darum.

35Und das Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes. 36Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten ihm Essig 37und sprachen: Bist du der Juden König, so hilf dir selber! 38Es war aber über ihm auch eine Aufschrift: Dies ist der Juden König.

39Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! 40Da wies ihn der andere zurecht und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? 41Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. 42Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! 43Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.

44Und es war schon um die sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde, 45und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei. 46Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er.

47Als aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott und sprach: Fürwahr, dieser ist ein frommer Mensch gewesen! 48Und als alles Volk, das dabei war und zuschaute, sah, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um. 49Es standen aber alle seine Bekannten von ferne, auch die Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren, und sahen das alles.

Predigt zu 2. Kor 5,19-21

Das Göttliche, Johann Wolfgang von Goethe


Edel sei der Mensch,
Hülfreich und gut!
Denn das allein
Unterscheidet ihn
Von allen Wesen,
Die wir kennen.

Heil den unbekannten
Höhern Wesen,
Die wir ahnen!
Ihnen gleiche der Mensch!
Sein Beispiel lehr’ uns
Jene glauben.

Denn unfühlend
Ist die Natur:
Es leuchtet die Sonne
Über Bös’ und Gute,
Und dem Verbrecher
Glänzen, wie dem Besten
Der Mond und die Sterne.

Wind und Ströme,
Donner und Hagel
Rauschen ihren Weg
Und ergreifen
Vorüber eilend
Einen um den andern.

Auch so das Glück
Tappt unter die Menge,
Faßt bald des Knaben
Lockige Unschuld,
Bald auch den kahlen
Schuldigen Scheitel.

Nach ewigen, ehrnen,
Großen Gesetzen
Müssen wir alle
Unseres Daseins
Kreise vollenden.

Nur allein der Mensch
Vermag das Unmögliche:
Er unterscheidet,
Wählet und richtet;
Er kann dem Augenblick
Dauer verleihen.

Er allein darf
Den Guten lohnen,
Den Bösen strafen,
Heilen und retten,
Alles Irrende, Schweifende
Nützlich verbinden.

Und wir verehren
Die Unsterblichen,
Als wären sie Menschen,
Täten im Großen,
Was der Beste im Kleinen
Tut oder möchte.

Der edle Mensch
Sei hülfreich und gut!
Unermüdet schaff’ er
Das Nützliche, Rechte,
Sei uns ein Vorbild
Jener geahneten Wesen!

zitiert nach: https://de.wikipedia.org/wiki/Das_G%C3%B6ttliche

Ein gewaltiger Text - aber beschreibt er wirklich unser Menschsein?

Edel sei der Mensch, 
Hülfreich und gut!

???

Nach ewigen, ehrnen,
Großen Gesetzen
Müssen wir alle
Unseres Daseins
Kreise vollenden.

Es sind doch wohl eher die Gesetze des Marktes, des Gewinns und der Macht, die uns bestimmen. 

Der edle Mensch
Sei hülfreich und gut!
Unermüdet schaff’ er
Das Nützliche, Rechte …

Das Geschehen des Karfreitags - kurzer Prozess, Folter, Kreuzigung - und auch das, was wir gerade erleben, widerspricht dem großen deutschen Dichter diametral. 

Mit dem Krieg in der Ukraine kehrt sich die ganze menschliche Verderbtheit nach außen. Schon der Krieg an sich widerspricht dem, was Goethe im Menschen zu erkennen glaubt. Die jetzt zutage tretenden Kriegsverbrechen zeigen wieder einmal, zu welcher Grausamkeit Menschen fähig sind. Dabei sind es nicht alles Kriminelle oder Gewalttäter, die diese Greueltaten begehen. Es werden Männer - und vielleicht auch Frauen - sein, die zu Hause sich liebevoll um ihre Kinder kümmern - genauso, wie deutsche Männer und Frauen in den Konzentrationslagern den Befehlen des Führers gehorchten. 

Darüber dürfen wir das, was wir der Umwelt und damit den nachfolgenden Generationen antun, nicht vergessen. Und auch das, was Menschen sonst einander antun - abgesehen vom Krieg - Ausbeutung, Besitzstreben - die einen haben vieles, die anderen nichts - sich gegenseitig mit Vorwürfen überziehen, den anderen verunglimpfen, Gerüchte und bewusste Lügen in die Welt setzen - auch das kann ich nicht mit Goethes Sicht zusammendenken. Edel sei der Mensch, hülfreich und gut? - Ein Satz aus der Geschichte von der Sintflut beschreibt das menschliche Wesen doch wohl viel treffender: “Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend an.” Das alles nahm seinen Ursprung - bildlich gesprochen - im Paradies, als Eva und Adam nach der verbotenen Frucht griffen, weil die Schlage ihnen eingeflüstert hatte: Ihr werdet sein wie Gott. Und genau dieses Streben findet sich doch auch heute beim nüchternen Blick in die Welt wider: Wir wollen sein wie Gott, meinen, die Welt ohne Gott regieren, gestalten zu können. Oder um in dieser Passionszeit den Psychiater und Neurologe, Fernsehmoderator und populärwissenschaftlicher Autor Hoimar von Ditfurth ein drittes Mal zu zitieren, der in der Erbsünde „jene unserer kardinalen Schwächen (sieht), auf die auch die evolutionäre Betrachtung des heutigen Menschen uns hat stoßen lassen: unsere prinzipielle, aus unserer ‚Natur‘ entspringende Unfähigkeit, das, was wir als richtig erkannt haben, auch zu tun“.

In diese Situation hinein spricht 2. Kor 5,19-21

19 Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. 20 So sind wir nun Botschafter an Christi Statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! 21 Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.

Bemerkenswert sind die Stichworte im Text - Versöhnung und Sünde, aber kein Wort von Strafe. 

Von der Sünde habe ich schon ausführlich gesprochen. Was hat es mit der Versöhnung auf sich? Wer muss hier mit wem versöhnt werden? 

Wir meinen, Gott müsse versöhnt werden. Darüber haben sich Theologen ausführlich Gedanken gemacht und manches Buch mit diesen Gedanken gefüllt. Wir wissen ja selbst nur zu gut, was wir falsch machen. Wenn wir mit Gott rechnen, dass wissen wir auch, dass dieses menschliche Fehlverhalten Gott betrüben muss. Menschlich gesehen überlegen wir, was getan werden kann und muss, damit Gott nicht mehr so enttäuscht ist, weil wir ihm nicht folgen. Weil wir mit unseren eigenen Möglichkeiten nicht weiterkommen - so denken wir - springt Gott ein und opfert seinen Sohn. So könne die Rechtsordnung Gottes wiederhergestellt werden, meinen einige Theologen. 

Aus meiner Sicht lässt sich diese Vorstellung mit den biblischen Berichten nicht vereinbaren. Schon im Ersten, im Alten Testament macht Gott deutlich, dass er keine Opfer will, die ihn besänftigen oder gar bestechen sollen. Gott will vielmehr, dass die Menschen in Gerechtigkeit miteinander leben, dass die Schwachen nicht unterdrückt, sondern gestützt werden. “Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert: nämlich Gottes Wort halten, Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.”

So bleibe ich dabei: Gott muss ganz bestimmt nicht versöhnt werden. Vielmehr denke ich, dass wir Menschen mit Gott versöhnt werden müssen. Deshalb sagt der Apostel ja auch: “So bitten wir nun an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott.”

Wir müssen unsere Blickrichtung verändern! Wir müssen uns mit Gottes Augen sehen. Gott fragt sich - ganz menschlich gesagt - , was getan werden muss, damit wir uns ändern. Er hat es versucht mit Strafe - Sintflut, mit den Geboten, mit den Propheten, mit liebevollem Verzeihen. - All das hat nichts geholfen. “Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend an.” Oder um es noch einmal mit von Ditfurth zu sagen: Es gibt bei uns Menschen eine “prinzipielle, aus unserer ‚Natur‘ entspringende Unfähigkeit, das, was wir als richtig erkannt haben, auch zu tun”.

Deshalb schickt Gott uns zum Schluss seinen eigenen Sohn, kommt er selbst. Er teilt unser Leben - und erleidet das Schlimmste, das Menschen einander zufügen können: den gewaltsamen und qualvollen Tod an einem Folterinstrument - verurteilt von religiösen Fundamentalisten im Hohenrat der jüdischen Gemeinde und vom herrschsüchtigen römischen Statthalter Pontius Pilatus. 

Heute können wir an diese Stellen setzen: 

  • Machthaber Putin und die russisch-Orthodoxe Kirche

vor ein paar Jahren: 

  • die Terroristen des Islamischen Staats missbrauchten den Islam 
  • Nordirlandkonflikt, der 1998 durch das Karfreitagsabkommen zumindest formal beendet wurde

in den 1930er und 40er Jahren 

  • standen die Deutschen Christen an Hitlers Seite, so, wie es jetzt der russ.-orth. Patriarch von Moskau tut; auch die Hann. Landeskirche spielte eine unrühmliche Rolle

nach der Reformation 

  • gab es zahlreiche Kriege, in denen sich machtpolitische Interessen mit Religion verbanden - 30jähriger Krieg - Schwedenkönig Gustav-Adolf

im Mittelalter 

  • wurden Frauen und Männer als Hexen und Hexer verfolgt
  • christliche Ritter wollten das Heilige Land von Ungläubigen befreien und brachten dabei Frauen und Kinder, Alte und Kranke, Soldaten und Unbewaffnete um - wie heute in der Ukraine

Bei dieser Aufzählung wird deutlich, wo das Problem liegt

  • nicht bei Gott, 
  • sondern bei uns, bei unserer Art, das Leben zu führen - als ob ob es Gott nicht gäbe, als ob wir selbst Gott seien - aber was für ein Gott könnte das dann sein, doch wohl eher der Satan

Diese Selbst-Bezogenheit / Ich-Bezogenheit bestimmt unser Leben von Anfang an. Deshalb muss sich bei uns etwas ändern! Sonst geht es schief! Sonst führt uns dieser Lebensstil, führen uns unsere Sünden ins Verderben!

Paulus sagt: “So bitten wir nun an Christi statt: Lasst Euch versöhnen mit Gott!” Mittwoch mussten wir in der Zeitung lesen: Weniger als 50% der Deutschen gehören einer Kirche an. Und von diesen Kirchengliedern halten sich nicht alle an das, was die Zehn Gebote oder die anderen Regeln Gottes vorgeben. Nicht ohne Grund läuft bei uns so vieles aus dem Ruder. Wir haben die Mitte, den Ankerplatz unseres Lebens verloren. 

In Jesu Tod am Kreuz von Golgatha können wir sehen, wohin uns ein “gottloses” Leben führt - in den Tod! Jesus ist gekommen, durch seinen Tod die Sünde aufzuheben, nicht um Gott zu versöhnen, sondern um uns die Folgen unserer Sünde vor Augen zu führen, um UNS zu versöhnen mit Gott!

Wenn wir das erkennen, wenn wir unseren Friedens schließen mit uns selbst und mit unserem Gott, wenn wir unsere Mitte in Jesus Christus finden, wenn wir versöhnt sind mit Gott, dann können wir das Leben gewinnen, dann können wir versuchen, unserem Herrn und Heiland zu folgen, seinem Gebot nachzufolgen. 

Ich habe einige Zeilen aus dem Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe ein wenig umformuliert:

Edel sei der Christ,
hilfreich und gut!

Nach Gottes Geboten, 
den ewigen, ehernen und großen Gesetzen
können wir alle
unseres Daseins
Kreise vollenden.

Der edle Mensch
Sei hülfreich und gut!
Unermüdet schaff’ er
im Vertrauen auf Gott
das Nützliche, Rechte …

So könnte das Leben nach Ostern aussehen. 

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