Sonntag, 8. November 2020

Drittletzter Sonntag im Kirchenjahr

8. November 2020

Im Evangelischen Gesangbuch findet man die Texte zum drittletzten Sonntag im Kirchenjahr unter der Nummer 954.70. Digital findet man alles auf der Seite "Das Kirchenjahr".

Die Farben des Kirchenjahres lassen sich in dieser Grafik finden. Den liturgischen Kalender bieten die bayrischen Landeskirche und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands an.

Für alle zitierten Bibeltexte gilt: Lutherbibel 1984, © Deutsche Bibelgesellschaft

Wochenspruch

Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen. (Mt 5, 9)

Wochenlieder

Wir warten dein, o Gottes Sohn (EG 152) oder

Es wird sein in den letzten Tagen (EG 426)

Lieder für den Gottesdienst

fT 177 - Freunde, dass der Mandelzweig

fT 141 - Es wird sein in den letzten Tagen

fT 41 - Die Steppe wird blühen

fT 191 - Vorbei sind die Tränen

Psalm 85 - BITTE UM NEUEN SEGEN

Gebet und Predigttext

2 HERR, der du bist vormals gnädig gewesen deinem Lande
und hast erlöst die Gefangenen Jakobs;

3 der du die Missetat vormals vergeben hast deinem Volk
und alle seine Sünde bedeckt hast;

4 der du vormals hast all deinen Zorn fahren lassen
und dich abgewandt von der Glut deines Zorns:

5 hilf uns, Gott, unser Heiland,
und lass ab von deiner Ungnade über uns!

6 Willst du denn ewiglich über uns zürnen
und deinen Zorn walten lassen für und für?

7 Willst du uns denn nicht wieder erquicken,
dass dein Volk sich über dich freuen kann?

8 HERR, erweise uns deine Gnade
und gib uns dein Heil!

9 Könnte ich doch hören,
was Gott der HERR redet,

dass er Frieden zusagte seinem Volk und seinen Heiligen,
damit sie nicht in Torheit geraten.

10 Doch ist ja seine Hilfe nahe denen, die ihn fürchten,
dass in unserm Lande Ehre wohne;

11 dass Güte und Treue einander begegnen,
Gerechtigkeit und Friede sich küssen;

12 dass Treue auf der Erde wachse
und Gerechtigkeit vom Himmel schaue;

13 dass uns auch der HERR Gutes tue
und unser Land seine Frucht gebe;

14 dass Gerechtigkeit vor ihm her gehe
und seinen Schritten folge.

Lesung aus dem Ersten Testament - Micha 4,1-4.7b - DAS KOMMENDE FRIEDENSREICH GOTTES

1 In den letzten Tagen aber wird der Berg, darauf des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über die Hügel erhaben. Und die Völker werden herzulaufen, 2 und viele Heiden werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinauf zum Berge des HERRN gehen und zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir in seinen Pfaden wandeln! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. 3 Er wird unter großen Völkern richten und viele Heiden zurechtweisen in fernen Landen. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. 4 Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken. Denn der Mund des HERRN Zebaoth hat’s geredet. 

7b Und der HERR wird König über sie sein auf dem Berge Zion von nun an bis in Ewigkeit.

Predigt

Predigttext Psalm 85,1-14 BITTE UM NEUEN SEGEN

Ich vermute, Sie können es nicht mehr hören. Und es soll auch nicht Thema der Predigt sein. Aber ansprechen muss ich es trotzdem, weil es mich wie viele andere Menschen bewegt. Zuerst ist da das Coronavirus, das zumindest hier bei uns in Europa gesamte Geschehen beherrscht. Es ist schon ärgerlich, wenn die Infektionszahlen jetzt bei uns in Deutschland und in der westlichen Welt so massiv steigen, nachdem wir im Sommer sehr glimpflich über die Runden gekommen sind. In den Industriestaaten Asiens dagegen sehen die Zahlen viel besser aus - Beispiel Japan. Offensichtlich sind die Regierungen besser auf die Situation vorbereitet und die Menschen fügen sich in die Situation und begehren nicht gegen jeden und alles auf. 

Zu den Coronanervigkeiten kam dann seit Mittwoch die Auszählung der Stimmen bei den Wahlen in den USA und das unsägliche Gezerre bzw. die Störfeuer, die der amtierende Präsident immer wieder einbrachte. Mit seinen haltlosen Lügen untergräbt er die Demokratie Amerikas, letztendlich aber auch die Demokratie der gesamten westlichen Welt. Man kann es nicht mehr hören. Hoffentlich findet dieser Spuk jetzt ein Ende, nachdem gestern Abend Joe Biden zum Wahlsieger erklärt wurde.

Es drängt sich schon die Frage auf: Was läuft bei uns im Westen schief? Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir unsere Orientierungspunkte verloren haben. Jeder ist sich selbst nur noch der Nächste, jeder beansprucht für sich das größte Stück des Kuchens, niemand will dem anderen Zugeständnisse mache. Es hat sich ein Egoismus und eine Kaltschnäuzigkeit ausgebreitet, die wir uns zu Beginn dieses Jahrhundert nicht hätten träumen lassen. 

Dabei sind die Alternativen zum Greifen nah. Insbesondere in Deutschland, aber auch in Europa spricht man doch immer wieder von den christlichen Wurzeln und Werten. Damit wären wir beim Predigtthema, das sich am 85. Psalm orientieren soll, den wir eingangs gebetet haben. 

Aus den ersten Zeilen kann man ganz deutlich heraushören, dass sich auch der Beter in einer Situation befindet, die ihm offensichtlich nicht gefällt. 

2 HERR, der du bist vormals gnädig gewesen deinem Lande und hast erlöst die Gefangenen Jakobs; 3 der du die Missetat vormals vergeben hast deinem Volk und alle seine Sünde bedeckt hast; 4 der du vormals hast all deinen Zorn fahren lassen und dich abgewandt von der Glut deines Zorns: 5 hilf uns, Gott, unser Heiland, und lass ab von deiner Ungnade über uns!

Was genau gemeint ist, ist nicht zu erkennen. Und der Beter sieht auch Gott als den Verursacher. Aber er wendet sich von Gott nicht ab. Er klagt Gott seine Situation, aber er nimmt hin, er fügt sich. 

Vielleicht wäre das auch ein Ansatz für uns. Gott das Leid klagen, mit Gott überhaupt erst einmal rechnen, ihn mit einbeziehen. Gott als Verursacher der gegenwärtigen Krise zu sehen ist in meinen Augen schwierig; aber wir können ja auch von einer Chance zum Nachdenken sprechen, die Gott uns gibt.

Weil der Psalmbeter mit Gott rechnet, kann er sich an Gott wenden. Dadurch eröffnet sich dem Beter eine Perspektive.

8 HERR, erweise uns deine Gnade und gib uns dein Heil!

Was will der Beter von Gott? Auf keinen Fall fordert der Beter, dass Gott die Schwierigkeiten einfach mal ausräumt. Gott mach … So wie manches Gebet in der Not formuliert wird und der Beter sich dann enttäuscht abwendet, weil Gott nicht reagiert wie gewünscht. Der Psalmbeter will Gott zunächst einmal nur wahrnehmen, er will ihn hören. 

9 Könnte ich doch hören, was Gott der HERR redet, dass er Frieden zusagte seinem Volk und seinen Heiligen, damit sie nicht in Torheit geraten.

Damit ist das erste entscheidende Stichwort ausgesprochen: Frieden. 

Wochenspruch - Selig sind die Friedfertigen … 

Micha - Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.

Der Beter braucht seinen Frieden mit Gott - den findet er, weil er sich ja an ihn wendet, weil er mit Gott rechnet. Und der Beter braucht auch Frieden mit der Welt und mit seinen Mitmenschen. Da, wo kein Frieden herrscht, da gibt es Krieg, das weiß der Beter, da herrscht Torheit, da herrscht Dummheit. - Sehen Sie auch schon wieder die Parallelen zu unserer Gegenwart?

Der Psalmbeter ist uns einen Schritt voraus: 

10 Doch ist ja seine Hilfe nahe denen, die ihn fürchten ...

Ganz einfach sagt der Beter: Diejenigen, die mit Gott rechnen, die erfahren seine Nähe, sie spüren, dass Gott kommt, sie lassen sich nicht von der Gegenwart so ganz und gar in Beschlag nehmen, dass sie daneben nichts anderes mehr wahrnehmen können. 

Und dann zählt der Beter auf, was auch der Nähe Gottes für ihn folgt:

dass in unserm Lande Ehre wohne;

Ehre (Suchergebnis - in Auswahl - zum Stichwort Ehre bei Google; 07.11.2020)

1. Ansehen aufgrund offenbaren oder vorausgesetzten (besonders sittlichen) Wertes; Wertschätzung durch andere Menschen

Ähnlich: Achtung, Anerkennung, Ansehen, Autorität, Bedeutung, Ehrfurcht, Geltung, [guter] Ruf, Hochachtung, Hochschätzung, hohe Einschätzung/Meinung, Image, Leumund, Respekt, Würde, Wertschätzung, Nimbus, Prestige, Profil, Renommee, Reputation, Reverenz, Schätzung

2. Zeichen oder Bezeigung der Wertschätzung "jemandem, einer Sache Ehre antun"

Ähnlich: Auszeichnung, Beifall, Belobigung, Belohnung, Bewunderung, Ehrung, Hochachtung, Honorierung, Lob, Respekt, Ruhm. Würdigung, Anerkenntnis, Ehrerbietung, Wertschätzung, Ovation, Huldigung

3. Anstand, Ehrgefühl, Selbstachtung, Stolz, Wertgefühl

Egoismus, Nationalismus, Populismus haben hier keinen Platz; eben sowenig die Vorstellung, dass die Ehre einer Familie durch Familienmitglieder verletzt und dann durch andere wieder hergestellt werden muss. 

Damit hört der Beter ja auch noch nicht auf: 

11 dass Güte und Treue einander begegnen, / Gerechtigkeit und Friede sich küssen; / 12 dass Treue auf der Erde wachse / und Gerechtigkeit vom Himmel schaue;

Und dann rechnet der Beter auch damit, dass Gott ihm etwas Gutes tut: 

13 dass uns auch der HERR Gutes tue / und unser Land seine Frucht gebe; / 14 dass Gerechtigkeit vor ihm her gehe / und seinen Schritten folge.

Wo in der westlichen  Welt spielen diese Begriffe noch eine Rolle? Es geht nicht allein um das, was Gott tut, sondern dass unser Land, dass die Menschen Frucht bringen - und diese Frucht hat etwas mit Gerechtigkeit zu tun und mit Frieden und mit Ehre.

So haben wir es eben schon im Liedvers gehört:

Kann das Wort von den letzten Tagen aus einer längst vergangenen Zeit uns durch alle Finsternis tragen in die Gottesstadt leuchtend und weit.

Die Antwort:

Wenn wir heute mutig wagen auf Jesu Weg zu gehen, werden wir in unseren Tagen den kommenden Frieden sehn.

Also:

Auf kommt herbei, lässt uns wandeln im Lichte des Herrn.

Amen.

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