Montag, 28. September 2020

Erntedankfest

4. Oktober 2020

Im Evangelischen Gesangbuch findet man die Texte zum Erntedanktag unter der Nummer 954.62. Digital findet man alles auf der Seite "Das Kirchenjahr".

Die Farben des Kirchenjahres lassen sich in dieser Grafik finden. Den liturgischen Kalender bieten die bayrischen Landeskirche und die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands an.

Für alle zitierten Bibeltexte gilt: Lutherbibel 1984, © Deutsche Bibelgesellschaft

Wochenspruch:

Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit. (Ps 145, 15)

Wochenlieder:

Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit (EG 502)

Auf, Seele, Gott zu loben (freiTöne 66) oder Lieder und Psalmen für den Gottesdienst 15)

Lieder für den Gottesdienst

Werden gerade ausgesucht

Liedvorschläge finden sich auf der Seite "Das Kirchenjahr".

Evangelium Lk 12,15-21:

15 Jesus sprach zu ihnen: Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat.

16 Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach: Es war ein reicher Mensch, dessen Feld hatte gut getragen. 17 Und er dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle. 18 Und sprach: Das will ich tun: Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen und will darin sammeln all mein Korn und meine Vorräte 19 und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut! 20 Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast? 

21 So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.

Predigt über Jesus Sirach 11,14-19. 

Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im biblischen Buch Jesus Sirach. Da dieses Buch und der Verfasser wenig bekannt ist, hier eine kurze Einführung: 

Jesus Sirach gehört zu den sog. Spätschriften des Alten Testaments. Das Buch ist nach seinem Autor benannt, der um 190/180 v. Chr. in Jerusalem die hebräische Urfassung niederschrieb.

Der Autor ... leitete ein jüdisches „Haus der Bildung“ nach dem Vorbild einer griechischen Philosophenschule. … Jesus Sirach präsentierte einen für die damalige Zeit modernen Gesamtentwurf der religiösen Traditionen Israels, er versuchte eine Verbindung von Tempelkult, Tora und Weisheit. Praktische Ratschläge nehmen breiten Raum ein ... Er vermittelte seinen Schülern … eine gewisse Weltläufigkeit … (“Jesus Sirach”)

Martin Luther zählte das Buch nicht zum biblischen Kanon - deshalb kennen es auch nur wenige - , beschrieb es aber als “nützlich und gut zu lesen” (“Apokryphen (AT)”). Hören wir also, was da nützlich und gut ist:

14 Es kommt alles von Gott: Glück und Unglück, Leben und Tod, Armut und Reichtum. 15 Den Frommen gibt Gott Güter, die bleiben; 16 und was er verleiht, das gedeiht immer und ewig.

Diese Sätze sagt ein frommer und zugleich auch kluger und gebildeter Mann: Es kommt alles von Gott. Uns ist es selbstverständlich geworden, dass wir einkaufen gehen, dass wir in den Geschäften und jetzt auch online alles bekommen, was wir haben wollen, dass prinzipiell alles verfügbar ist. Die Waren - selbst die Lebensmittel einschließlich der Fleischwaren - werden produziert. Das Gespür, dass dies alles auch ein Geschenk ist, das uns zur Verfügung gestellt wird, ja das die ganze Erde ein Geschenk ist, damit wir Menschen überhaupt existieren können, dieses Gefühl ist uns verloren gegangen. Alles kommt von Gott - wer sagt das bei uns noch?

Im Grunde genommen steht bei uns heute über allem die Frage des Profits: Was kostet es oder was bringt es mir? Darüber ist die Freude an der Produktion und der Stolz auf ein Produkt verloren gegangen. Was habe ich geschafft!? Das hat richtig Spaß gemacht - es ist gut gelungen! Das ist die eine Seite. Und auf der anderen Seite fehlt oft auch die Freude am Erwerb. Das konnte ich mir kaufen. Ich musste schon sparen. Aber jetzt freue ich mich, dass ich mir das kaufen konnte.

Und dann ist da noch der zweite Gedanke, den Jesus Sirach einführt und der den meisten heute nicht mehr geläufig ist: Es gibt unterschiedliche Güter. Den Frommen gibt Gott “Güter, die bleiben; und was er verleiht, das gedeiht immer und ewig”. Wenn wir uns schon über Materielles wenig freuen können, wen interessieren da noch immateriellen Güter?

Das beides zusammengehört, hat Martin Luther in seiner Erklärung zur Vierten Bitte des Vaterunsers deutlich gemacht: Unser tägliches Brot gib uns heute. 

Was heißt denn tägliches Brot? Alles, was not tut für Leib und Leben, wie Essen, Trinken, Kleider, Schuh, Haus, Hof, Acker, Vieh, Geld, Gut, fromme Eheleute, fromme Kinder, fromme Gehilfen, fromme und treue Oberherren, gute Regierung, gut Wetter, Friede, Gesundheit, Zucht, Ehre, gute Freunde, getreue Nachbarn und desgleichen.

Es ist die Frage, worauf ich mein Augenmerk richte. Für mich gibt es durchaus diese Verbindung: Güter die bleiben - das steht an erster Stelle, darauf baue ich: Gottes Segen, Vertrauen zu Gott, die Hoffnung, dass Gott mich begleitet und mir zur Seite steht; das Zusammenleben mit meiner Frau, meine beiden Söhne, dass wir ein tolles Team in der Gustav-Adolf-Kirchengemeinde haben, gute Freunde und eine Nachbarschaft, auf die man sich verlassen kann - aber auch materielle Güter, an denen ich meine Freude habe: unser Haus, mein Motorrad, meine technischen Geräte und noch ein paar andere Dinge. Das aber vergeht letztendlich irgendwann und darauf will ich mich natürlich nicht verlassen. Das letzte Hemd hat bekanntlich keine Taschen. 

Mancher versucht es wohl auch umgekehrt; zuerst das Materielle, dann das immaterielle. Dass das nicht funktioniert, konnte wir in der Geschichte Jesu vom reichen Kornbauern schon hören:  “Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre”, so sagt es der erfolgreiche Landwirt. “Habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!” Die realistische Einschätzung Gottes jedoch lautet: “Du Narr!”

Diesen Gedanken hat Jesus von Nazareth wahrscheinlich von Jesus Sirach übernommen. Sie werden es gleich bemerken, wenn ich aus dem Ersten Testament weiter lese. Diese Zeilen scheinen die Vorlage für Jesu Geschichte vom reichen Kornbauern zu sein. Was Jesus von Nazareth in eine Geschichte kleidet, das sagt Jesus Sirach in weisheitlicher Betrachtung. 

17 Mancher kargt und spart und wird dadurch reich 18 und denkt, er habe es zu etwas gebracht, 19 und sagt: Nun will ich mir ein gutes Leben machen, essen und trinken von dem, was ich habe –, doch er weiß nicht, dass sein Stündlein so nahe ist und dass er alles anderen lassen und sterben muss.

Mancher kargt … Gleich mit dem zweiten Wort in diesem Satz in der Übersetzung von Martin Luther steckt das Vorzeichen dieses Gedankens: Mancher kargt - das sagt heute zwar kein Mensch mehr, aber die meisten werden den Sinn noch verstehen. 

knapp, gering bemessen
bezüglich Bezahlung, Nahrung, Zeit ...
bezüglich Anerkennung, Begeisterung, Zuspruch ...
Bericht, Nachrichten ...
Lichtquelle ...
mit dem, was man zu geben bereit ist, zurückhaltend
Landwirtschaft: ertragsarm (vgl. “karg”)

Wer kargt, kann es äußerlich zwar zu Reichtum bringen. Aber dieser Reichtum wächst, weil anderen etwas vorenthalten wird. Weil die Bibel, weil Jesus dieses Problem immer wieder thematisiert, entstand der Eindruck, Reichtum und Frömmigkeit vertrügen sich nicht. Das lässt sich aber weder aus dem Evangelium noch aus dem Text von Jesus Sirach ablesen. Es ist die Überheblichkeit, die in beiden Fällen angeprangert wird: 

Jesus von Nazareth: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!

Jesus Sirach: Nun will ich mir ein gutes Leben machen, essen und trinken von dem, was ich habe …

Beide Verfasser verweisen darauf, dass der sichere Tod solche Gedanken ad absurdum führt.

Wenn man dann bei Jesus Sirach weiterliest, findet man einen Abschnitt zum Gebrauch des Reichtums. Und das passt eigentlich am Erntedanktag in der reichen Bundesrepublik sehr gut - Sirach 13 und 14

24 Reichtum ist gut, wenn an ihm keine Sünde haftet, und allein der Gottlose nennt die Armut schlecht. ... 

3 Einem Knauser steht es nicht wohl an, reich zu sein; und was soll Geld und Gut einem Geizkragen? 4 Wer nur sammelt und sich selber nichts Gutes gönnt, der sammelt's für andere, und andere werden's verprassen. 5 Wer sich selber nichts Gutes gönnt, was sollte der andern Gutes tun? Er wird niemals Freude an seinem Eigentum haben.

Jesus von Nazareth: Den Nächsten lieben wie dich selbst! - Vollständig: Gott lieben, den Nächsten wie mich selbst!

9 Ein habgieriger Mensch hat nie genug an dem, was ihm beschieden ist, und kann vor lauter Geiz nicht gedeihen. 10 Ein Neidhammel missgönnt den andern das Brot, und es tut ihm weh, wenn er auftischen muss. 

11 Mein Kind, tu dir selbst so viel Gutes, wie du kannst, und gib dem Herrn die Opfer, die ihm gebühren. 12 Bedenke, dass der Tod nicht auf sich warten lässt … 13 Tu dem Freund Gutes noch vor deinem Ende und gib dem Armen nach deinen Kräften.

Damit wird eine Lebenshaltung beschrieben, die dem Reichen den Reichtum nicht missgönnt, die aber auch den Armen nicht vergisst, weil er am Reichtum des Reichen teilhaben soll - sei es durch Geschenk oder Spende, sei es durch Arbeit oder auf andere Weise. 

Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (GG Art 14 (2) - soziale Marktwirtschaft.

Daraus ließe sich ein Handlungskonzept entwickeln. Voraussetzung ist aber die Einstellung: 

14 Es kommt alles von Gott: Glück und Unglück, Leben und Tod, Armut und Reichtum. 15 Den Frommen gibt Gott Güter, die bleiben; 16 und was er verleiht, das gedeiht immer und ewig.

 

Bibliography

“Apokryphen (AT).” Bibelwissenschaft, https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/apokryphen-at/ch/83254f4c47ebd2d99f1873c51880e3ca/. Accessed 01 10 2020.

“Jesus Sirach.” Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Jesus_Sirach. Accessed 01 10 2020.

“karg.” Wiktionary, https://de.wiktionary.org/wiki/karg. Accessed 01 10 2020. 

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