Dienstag, 22. Januar 2019

Epiphanias- und Vorpassionszeit

Im Übergang von der Epiphanias- zur Vorfastenzeit hat es im Zusammenhang mit der neuen Perikopenordnung eine deutliche Verschiebung der Sonntage gegeben. Rufen wir uns dazu die Vorüberlegungen in Erinnerung, wie sie im Vorentwurf zur Perikopenordnung 2014 zu lesen waren: “Für sinnvoll erachtete [die Arbeitsgruppe] allerdings, den Übergang vom Weihnachtsfestkreis zum Osterfestkreis klarer zu gestalten. Am Termin des Osterfestes orientiert, der dem Mondkalender folgend jährlich wandert, schwankte die Zahl der Sonntage nach Epiphanias bislang zwischen einem und fünf. Die Epiphaniaszeit konnte also bereits Mitte Januar ihr Ende finden oder Mitte Februar. Demgegenüber blieb die Zahl der Sonntage der eher ungeprägten „Vorfastenzeit“ bei drei. … Nun wird vorgeschlagen, die Epiphaniaszeit stabil bis zum 2. Februar, Lichtmess, zu halten. … Die bisherigen Proprien werden bewahrt, aus dem 4. Sonntag nach Epiphanias wird der 4. Sonntag vor der Passionszeit, aus dem 5. Sonntag nach Epiphanias der 5. Sonntag vor der Passion.”

Ich will an dieser Stelle gern einräumen, dass ich wahrgenommen habe, dass in der endgültigen Ausgabe des Lektionars nur noch eingeschränkt von “Lichtmess” die Rede ist und die Betonung auf dem “Tag der Darstellung Jesu im Tempel (Lichtmess)” liegt. Aber das hilft bei der ganzen Deutung auch nicht viel weiter. Vielmehr drängt sich die Frage auf, ob der Arbeitsgruppe die Problematik ihres Vorschlages im Lauf der Zeit bewusst wurde und sie deshalb die Begrifflichkeit änderte.

Nachjustierung - warum?

Zunächst muss der Versuch unternommen werden zu klären, warum es im Übergang von der Epiphanias- zur Vorfastenzeit eine Veränderung vorgenommen wurde, moderat „nachjustiert“, wie es im Entwurf von 2014 hieß und dann in der endgültigen Fassung auch umgesetzt wurde.

Da der Ostertermin Jahr für Jahr durch den Mondkalender neu gesetzt wird und die Passions- und die Vorpassionszeit, beginnend mit dem Sonntag Septuagesimae, sich fest an diesem für die Christenheit wichtigsten Fest orientierte, variierte bisher die Epiphaniaszeit. Lag Ostern sehr spät, hatte die Epiphaniaszeit bis zu 6 Sonntage, feierten wir Ostern dagegen sehr früh, konnte die Epiphaniaszeit auch sehr schnell enden.

Wie auch immer: Der Sonntag Septuagesimae - 70 Tage bis Ostern, wie es landläufig hieß und von unseren Kirchenvorstehern Jahr für Jahr in der Begrüßung auch erwähnt wurde - dieser Sonntag verwies sicher darauf, dass nach der Epiphaniaszeit eine andere Kirchenjahreszeit anbrach, und gleichzeitig machte der Sonntagsname deutlich, dass am Ende dieser Zeit mit der Auferstehung Jesu eine neuer Anfang gesetzt war. Gleiches gilt für den Sonntagsnamen Sexagesimae - 60 Tage bis Ostern - und Estomihi - “Sei mir (ein starker Fels)” Psalm 31 - am letzten Sonntag vor der eigentlichen Passionszeit.

Ungeprägte Vorfastenzeit?

Hätten sich die Mitglieder der Arbeitsgruppe nur ein wenig mehr mit der Vorfastenzeit auseinandergesetzt, so hätten sie die eindeutige Prägung über die Sonntagsnamen nachvollziehen können. Interessantes findet sich z.B. auf der Seite https://www.stilkunst.de Ausgehend vom Sonntagsnamen “Quinquagesimae” kann man lesen:

Der Sonntag vor der Passionszeit, Estomihi, trägt in Anlehnung an die beiden Sonntage davor (→Septuagesimae und →Sexagesimae) auch die Bezeichnung Quinquagesimae (lat. quinquagesima: fünfzig). Dieser Name zeigt an, dass die Osterwoche am 50. Tag ab diesem Sonntag beginnt (Ostersonntag).

Mit diesen Bezeichnungen spiegelt die Zeit zwischen den drei Sonntagen der Vorpassionszeit die gesamte Osterwoche zwischen →Ostersonntag und dem Samstag vor →Quasimodogeniti und richtet so den Blick auf die Freudenzeit nach der Passionszeit, die am →Aschermittwoch, dem Mittwoch nach Estomihi, beginnt.
  • Septuagesimae (lat. septuagesima: siebzig), 63 Tage vor Ostern, zeigt auf das Ende der Osterwoche, auf den Tag vor dem Sonntag Quasimodogeniti, den siebzigsten Tag ab Septuagesimae.
  • Sexagesimae (lat. sexagesima: sechzig), 56 Tage vor Ostern, zeigt auf die Mitte der Osterwoche (Mittwoch nach Ostersonntag), den sechzigsten Tag ab Sexagesimae.
  • Quinquagesimae (lat. quinquagesima: fünfzig), 49 Tage vor Ostern, zeigt auf den Beginn der Osterwoche, Ostersonntag, dem fünfzigsten Tag ab Quinquagesimae.
  • Zudem zeigt der Sonntag Quadragesimae (lat. quadragesima: vierzig), der Sonntag Invokavit, auf Gründonnerstag (den 40. Tag ab Invokavit), auf den Beginn des Triduum Paschale, der drei österlichen Tage, mit der →Vesper am Abend des Gründonnerstag.
(https://www.stilkunst.de/c31_calendar/evjahr/ev2019/ev2019-022_estomihi.php?2019 - abgerufen am 22.01.2019)

Ungeprägte Vorfastenzeit? Mitnichten!

Church of England?

Für die “moderate Nachjustierung” der Perikopenordnung wurde 2014 das Brauchtum anderer Konfessionen herangezogen. Dabei richten die Revisoren den Blick auf die Praxis der “Church of England”, die hierzulande natürlich jedem vertraut ist. In der englischen Kirche setzt der 02. Februar “Lichtmess” den Schlusspunkt des Weihnachtskreises. Im Nachgang wird noch erwähnt, dass diese Neuregelung auch “der Tatsache Rechnung” trägt, “dass es in einigen Regionen nach wie vor üblich ist, den weihnachtlichen Schmuck bis zum 2. Februar zu lassen und den 40. Tag nach Weihnachten als Ende der Weihnachtszeit zu begehen”. Dass dies in der Regel die katholischen Regionen Deutschlands sind, wird allerdings verschwiegen. Warum eigentlich?

Interessant ist der Vergleich mit der Begründung der Veränderung im aktuellen Lektionar: “Die Epiphaniaszeit endet nun jeweils mit der Woche, in der der 2. Februar, der Tag der Darstellung Jesu im Tempel (Lichtmess), liegt. Dieser vierzigste Tag nach Weihnachten bildet seit jeher einen gewissen Abschluss der Weihnachtszeit und kennt auch im evangelischen Raum ein entsprechendes Brauchtum.” - Zumindest der norddeutsche Leser in der Hannoverschen Landeskirche fragt verwundert: Lichtmess? Tag der Darstellung Jesu im Tempel? Evangelisches Brauchtum? Wo und was?

Was also soll man mit diesem Fest verbinden? Im katholisch geprägten Emsland haben wir natürlich schon mal etwas von “Mariä Lichtmess” gehört - und wir wissen, dass die katholischen Familien manchmal ihre Krippen und Weihnachtsbäume bis zu diesem Zeitpunkt behalten - aber sonst?

Bisher gaben wir der Epiphaniaszeit auch ohne “Lichtmess” oder “Darstellung Jesu im Tempel” ein besonderes Gepräge. Wenn irgend möglich blieben Krippe und Tannenbaum bis zum letzten Sonntag nach Epiphanias in der Kirche, auch im Februar. Und es war nicht ungewöhnlich, wenn dann noch einmal “O du fröhliche …” erklang.

Lichtmess? Tag der Darstellung Jesu im Tempel?

Wer sich informieren will, liest einmal bei Wikipedia nach. Ich finde die Darstellung durchaus spannend vor dem geschichtlichen Hintergrund. Aber für die Gegenwart in der evangelischen Kirche werden diese Informationen nichts bewirken oder gar in gottesdienstliche Formen gegossen werden können.
  • Lichterprozession - Christus kommt 40 Tage nach der Geburt das erste Mal nach Jerusalem und die Menschen begrüßen ihn (Simeon und Hanna; vgl. dazu die Legende aus dem 5. Jahrhundert von einer Frau namens Hikelia, die zusammen mit Mönchen die Heilige Familie auf ihrem Weg von Bethlehem nach Jerusalem begleitet haben soll.
  • Reinigungsritus für Maria, die 40 Tage nach der Geburt ihres Sohnes im Tempel ein Sühnopfer bringen muss, um wieder als rein zu gelten (3. Mose 12,6ff Und wenn die Tage ihrer Reinigung für den Sohn ... um sind, soll sie dem Priester ein einjähriges Lamm bringen zum Brandopfer und eine Taube oder Turteltaube zum Sündopfer vor den Eingang der Stiftshütte. Der soll es opfern vor dem HERRN und sie entsühnen, so wird sie rein von ihrem Blutfluss. …)
  • Darstellung der männlichen Erstgeburt im Tempel, die Gott gehört und ausgelöst werden muss (vgl. 2. Mose 13,2.15 - Heilige mir alle Erstgeburt bei den Israeliten; alles, was zuerst den Mutterschoß durchbricht bei Mensch und Vieh, das ist mein. ... so sollst du dem HERRN alles aussondern, was zuerst den Mutterschoß durchbricht. Alle männliche Erstgeburt unter deinem Vieh gehört dem HERRN. Die Erstgeburt vom Esel sollst du auslösen mit einem Schaf; wenn du sie aber nicht auslöst, so brich ihr das Genick. Beim Menschen aber sollst du alle Erstgeburt unter deinen Söhnen auslösen. Und wenn dich morgen dein Sohn fragen wird: Was bedeutet das?, sollst du ihm sagen: Der HERR hat uns mit mächtiger Hand aus Ägypten, aus der Knechtschaft, geführt. Denn als der Pharao hartnäckig war und uns nicht ziehen ließ, erschlug der HERR alle Erstgeburt in Ägyptenland, von der Erstgeburt des Menschen bis zur Erstgeburt des Viehs. Darum opfere ich dem HERRN alles Männliche, das zuerst den Mutterschoß durchbricht, aber die Erstgeburt meiner Söhne löse ich aus.
Schaut man sich noch einmal kurz die Lesungen für “Lichtmess” bzw. jetzt “Tag der Darstellung Jesu im Tempel” an, so sieht man, dass der Schwerpunkt des Sonntags - Darstellung im Tempel und Lobgesang des Simon und der Hanna - schon am 1. Sonntag nach Weihnachten thematisiert wurde.

So gut - so schlecht

Was bedeutet diese Neuregelung nun für den gottesdienstlichen Gebrauch? Die Epiphaniaszeit bekommt einen festen Schlusspunkt, der allerdings im gottesdienstlichen Leben einer Kirchengemeinde überhaupt keine Rolle spielt! Selbst wenn der “Tag der Darstellung Jesu im Tempel (Lichtmess)” auf den “Letzten Sonntag nach Epiphanias” fällt, 2020 ist das der Fall, dann sollte der »“Tag der Darstellung des Jesu im Tempel” nicht im Hauptgottesdienst gefeiert werden, sondern in der Vesper des Sonntags, in der Vesper am Vorabend (1. Februar) oder an einem Tag der folgenden Woche (3. Februar bis 7. Februar)«, so kann man es auf der entsprechenden Seite von Stilkunst.de nachlesen (https://www.stilkunst.de/c31_calendar/evjahr/ev2019/ev2019-103_02februar.php?2020 abgerufen am 22.01.2019).

Offensichtlich soll das Fest “Lichtmess” oder “Tag der Darstellung des Jesu im Tempel” nicht als kirchlicher Feiertag eingeführt werden. Der Festtag wird zwar in der Perikopenordnung aufgeführt - wie übrigens auch schon in der alten Ordnung -, sucht man jedoch in der Kollektenordnung “Lichtmess”, so sucht man vergebens - wie übrigens auch bei Epiphanias, wenn dieses Fest nicht wie im Jahr 2019 auf einen Sonntag fällt.

Somit wird die Epiphaniaszeit von zwei Feiertagen umrahmt, die beide kaum im gemeindlichen Leben verankert sind - Ausnahmen bestätigen die Regel - Epiphanias wird u.a. in unserer Ev.-luth. Gustav-Adolf-Kirchengemeinde in Meppen jährlich am 6. Januar begangen.

Epiphaniaszeit = Vorpassionszeit?

Völlig unverständlich bleibt, warum die Revisoren der Perikopenordnung den zwei neuen Vorpassionssonntagen kein eigenes Proprium gegeben haben, sondern ganz einfach erklären:

4. Sonntag nach Epiphanias = 4. Sonntag der Vorpassionszeit
5. Sonntag nach Epiphanias = 5. Sonntag der Vorpassionszeit

Mk 4,35-41 
2. Kor 1 ,8-11 
Mt 14,22-33 
Eph 1, 15-20a 
Jes 51,9-16 
1. Mose 8,1-12
Markus 4,35–41 
2. Korinther 1,8–11
Jesaja 51,9–16 
Matthäus 14,22–33 
Markus 5,24b–34 
1. Mose 8,1–12
Mt 13,24-30
1. Kor 1,(4-5)6-9 
Jes 40,12-25
1. Kor 1,4-9 
Jes 40,12-25 
Mt 13,24-30

Diese Phantasielosigkeit lässt jegliches Gespür für die Prägung einer Kirchenjahreszeit vermissen!

Fazit

In manchen Bereichen kann man der Perikopenrevision durchaus etwas Positives abgewinnen, insbesondere wenn es darum geht, dass die Zahl der alttestamentlichen Texte erhöht wurde. Es bleibt allerdings die Frage, die ich schon im Zusammenhang mit Epiphanias gestellt habe, warum die Revisoren nicht die bestehenden Textreihen um zwei weitere ergänzten. Die hier beschriebenen Veränderungen zur Epiphanias- und Vorpassionszeit erscheinen mir ziemlich unausgegoren.
  • Phantasielos ist, dass einfach die Proprien aus der einen in die andere Zeit verschoben wurden.
  • Mit “Lichtmess” ist ein Datum dazu gekommen, was einerseits bisher in der evangelischen Kirche überhaupt keine Rolle spielte und mit dem die meisten evangelischen Gemeindeglieder nichts anfangen können.
  • Andererseits bringt dieses Datum keinerlei Vereinfachung. Es stiftet vielmehr Verwirrung, weil es einmal die Epiphaniaszeit verkürzt und dann wieder die Vorpassionszeit beeinflusst.
  • Bisher galt: Nach dem letzten Sonntag der Epiphaniaszeit folgen drei Sonntage der Vorpassionszeit. Jetzt schwankt die Zahl zwischen 0 und 5.
  • Verwiesen die bisherigen Sonntage in der Vorpassionszeit mit Ihren Namen eindeutig auf das Osterfest, so wird dieses Aspekt durch die Bezeichnung “5. und 4. Sonntag der Vorpassionszeit” verwässert.
  • Es wird sich in “normal” geprägten Kirchengemeinden kein Gottesdienst zum 2. Februar etablieren.
Wenn hier eine Revision erforderlich gewesen ist - was ich verneine - dann hätten die Revisoren den Mut aufbringen müssen, die Namen der Vorpassionssonntage ganz zu streichen. Dann hätte es eben nur Sonntage in der Vorpassionszeit gegeben. Das wiederum hat man sich offensichtlich nicht getraut, weil traditionell jeglicher Sonntag im evangelischen Kirchenjahr in einem Bezug zu einem Festtag steht.

Summa summarum - vielleicht im Blick auf einen festen Endpunkt der Epiphaniaszeit noch gut gemeint, aber ungenügend ausgeführt.

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